■ Nachgefragt
: "Über Utrecht nachdenken"

Staatsanwältin Claudia Traub leitet das Dezernat für Sexualdelikte der Bremer Staatsanwaltschaft. Gemeinsam mit den Sozialarbeiterinnen in der Schmidtstraße hat sie sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt, daß die Frauen auf dem Drogenstrich sich gegen die Gewalt von Freiern wehren

taz: Was halten Sie von der Diskussion um die Verlegung des Drogenstrichs?

Claudia Traub: Wohin der Strich sinnvollerweise verlegt werden soll, müssen andere wissen und entscheiden. Aber mich geht natürlich die Gewalt gegen die Frauen auf dem Drogenstrich etwas an. Über die Sozialarbeiterinnen in der Schmidtstraße gibt es gute Kontakte zu den Frauen, und es ist uns gelungen, ihnen zu vermitteln, daß sie perverse Freier anzeigen sollen. Die Sozialarbeiterinnen begleiten die Frauen zur Staatsanwaltschaft, und in den Verfahren gegen gewalttätige Freier sagen sie als Zeuginnen in den Hauptverhandlungen aus. So konnten wir widerlegen, was die Freier immer denken: Daß diesen Frauen sowieso kein Gehör geschenkt wird. Aber das geht nur mit einer Anlaufstelle wie der in der Schmidtstraße. Dort haben die Frauen Aushänge gemacht und sich gegenseitig vor perversen Freiern gewarnt.

Das Problem ist ja, daß die Frauen, wenn sie Freier bei der Polizei anzeigen, nicht sicher sein können, daß der Täter ermittelt wird, aber gegen sie selbst kann der Vorwurf der illegalen Prostitution erhoben werden.

Das heißt, daß sie auch kein Vertrauen zur Polizei haben können ...

Die Frauen sollen schon Vertrauen zur Polizei haben.

Wenn der Strich verlegt wird, müssen die Frauen, die dort weiter arbeiten, aber mit Bußgeldern rechnen.

Man wird versuchen, die Verlegung des Drogenstrichs durchzusetzen, auch mit Hilfe von Bußgeldbescheiden und Strafverfahren. Das bedeutet, daß die Frauen mehr Freier machen müssen, um das Bußgeld bezahlen zu können und das bedeutet logischerweise auch eine größere Gefährdung.

In den Niederlanden ist der Straftatbestand der verbotenen Ausübung der Prostitution, so weit ich weiß, abgeschafft worden. Und man muß sich überlegen, ob das Straftrecht dazu dienen soll, ordnungspolizeiliche Maßnahmen durchzusetzen. Es handelt sich um ein Delikt, an dem zwei beteiligt sind, die beide wissen, daß das, was sie tun, nicht erlaubt ist, aber nur die Frau wird bestraft.

Ist die Verlegung des Strichs überhaupt praktikabel?

Wie gesagt, dafür bin ich nicht zuständig. Aber egal, was mit dem Drogenstrich passiert, es muß ein kontinuierliches Betreuungsangebot da sein. Und wenn die Gegend so einsam ist wie da im Hafen, sollte man doch nochmal über das Utrechter Modell nachdenken.

Das bedeutet Parkboxen. Aber da sagen ja Herr van Nispen und der Drogenbeauftragte van der Upwich, sie fänden das menschenunwürdig.

Wir wissen doch, daß die Frauen der Prostitution nachgehen werden und bloß weil uns das unangenehm ist, können wir ihnen doch nicht die Hilfe und den Schutz verweigern. Fragen: Diemut Roether