Mehr Methadon und Wohnplätze für Junkies

■ Ampel: Politik kann Drogenprobleme nicht lösen

Die Proteste in den Stadtteilen haben eines erreicht: Die Drogenpolitik ist derzeit das beherrschende Thema bremischer Politik. Fast zwei Stunden wurde gestern in der Bürgerschaft gestritten. Ergebnis: Außer dem CDU- Fraktionsvorsitzenden Peter Kudella mag niemand mehr daran glauben, daß die Probleme zu lösen sind. Und Kudella selbst fiel als Konzept auch nicht mehr ein, als mehr Polizei zu fordern.

Beantragt worden war die Debatte von der DVU, deren Sprecher Weidenbach das Problem vor allem bei dealenden Asylbewerbern ausmachte. „Ich habe keine Lust, auf ihre Argumente einzugehen“, antwortete Sozialsenatorin Irmgard Gaertner, die statt dessen eine Art Regierungserklärung verlas. „Wer glaubt, er könne großstädtisches Flair genießen und kleinstädtische Idylle pflegen, der irrt“, meinte Gaertner. „Wer hier lebt, ist Zumutungen ausgesetzt, die wir nicht abschaffen können.“

Das Viertel habe mit der rund 200köpfigen offenen Szene die Wucht des Drogenproblems zu lange allein getragen. Deshalb will Gaertner verstärkt andere Stadtteile heranziehen. „Tut mehr für die Drogenabhängigen, aber nicht bei uns“, diese Doppelbotschaft sei Heuchelei.

Auch konkrete Maßnahmen hatte die Senatorin nach den Turbulenzen der letzten Wochen mitgebracht. So sollen

bis Oktober 31 zusätzliche Plätze in Hotels eingerichtet sein

bis Herbst 30 bis 40 Notübernachtungsplätze mit Tagesbetreuung aufgestellt sein.

Ein Wohlfahrtsverband soll ein Wohnheim mit zunächst 40, dann 80 Plätzen schaffen.

Mit 850.000 Mark weitere 90 Junkies in das Methadonprogramm gebracht werden.

Nach Gaertner ergriff ein hörbar mitgenommener Innensenator Friedrich van Nispen das Wort. Bei der Beiratssitzung in Woltmershausen, so van Nispen, „wehte ein Hauch von Rostock durch den Saal“ (s. nebenstehenden Artikel). „Daß ich als Edelzuhälter bezeichnet wurde, ist mit meinem Gehalt abgegolten“, sagte er. Was ihm aber Sorge mache, sei der blanke Haß. „Die Dialogfähigkeit in unserer Gesellschaft hat Schaden genommen, wenn es um Minderheiten geht.“

Auch bei den Grünen sind angesichts der Diskussion die Weltbilder ins Wanken gekommen. „Repression muß ihren Stellenwert als Teil der Drogenpolitik haben.“ Dies kommt der sozialpolitischen Sprecherin Karoline Linnert selbstverständlich über die Lippen. Und wie auch SPD- Redner Walter Leibetraut, appelierte Linnert an die CDU, darauf zu verzichten, mit der Drogenpolitik parteitaktische Süppchen zu kochen: „Sie tun sich keinen Gefallen, wenn Sie so tun, als würden Sie die Probleme lösen können“, warnte Linnert.

An CDU-Fraktionschef Peter Kudella prallte der Appell ab. Er warf Grünen und FDP vor, mit zwei Zungen zu reden, wenn Abgeordnete in den Beiratssitzungen für ihre Fraktion gegen Dezentralisierung redeten und in der Bürgerschaft einen anderen Eindruck hinterließen. Und auch CDU- Redner Ralf Borttscheller machte deutlich, daß Bremen vom drogenpolitischen Konsens im Parlament weit entfernt ist. Bortscheller wörtlich: „Die Drogenpolitik in Bremen produziert Drogentote.“ hbk