MIT EMBARGOFOLGEN AUF DU UND DU
: Volksküchen in Belgrad

■ Das UN-Embargo trifft vor allem die Bevölkerung

Belgrad (AFP) — Auf den ersten Blick erscheint das Leben auf Belgrads Straßen ungetrübt. Die Hauptstadt des nur noch aus Serbien und Montenegro bestehenden Rest-Jugoslawien vermittelt nicht das Bild eines Landes, das seit einem Jahr im Kriegszustand lebt. Doch das von der UNO vor drei Monaten verhängte Embargo zeigt Folgen.

„Die jugoslawische Wirtschaft steht kurz vor dem Zusammenbruch“, mußte der stellvertretende Ministerpräsident Radoje Kontic eingestehen. Während serbische Truppen und die Bundesarmee ihren Nachschub durch Blockadebrecher sichern, ist von den Wirtschaftssanktionen vor allem die Bevölkerung betroffen. Ihr Lebensstandard verschlechterte sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch. Der Mangel hat in Belgrad bereits wesentliche Produkte des täglichen Bedarfs erreicht. Mehl, Zucker, Zigaretten und vor allem Medikamente sind knapp, Fleisch ist ein Luxusartikel geworden. Gleichzeitig befinden sich die Einkommen der Arbeitnehmer in freiem Fall: Verdiente ein Facharbeiter 1991 monatlich noch durchschnittlich 625 Dollar (875 Mark), so lag sein Gehalt Mitte 1992 nur noch bei 50 Dollar (71 Mark). Vielerorts wurden die ersten „Volksküchen“ eröffnet, die täglich Suppenrationen austeilen. Nach einer offiziellen Statistik der jugoslawischen Regierung überschritt die Inflationsrate in Serbien und Montenegro im Juni bereits die 100-Prozent-Marke. Die Industrieproduktion in Serbien ging im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 36 Prozent zurück. Als direkte Folge des wirtschaftlichen Niederganges erwarten die Wirtschaftsexperten ein rapides Ansteigen der Arbeitslosigkeit, die im August schon über zehn Prozent lag. Tomislav Popovic, Direktor des Belgrader Institutes für Wirtschaftswissenschaften, sieht für die jugoslawische Wirtschaft schwarz: „Wenn die Sanktionen nicht bis spätestens zum Ende des Jahres aufgehoben werden, ist der völlige ökonomische Kollaps unvermeidlich.“