In Oberbayern schreibt ein Priester erotische Pfaffenromane

■ Der Ketzer von Arget

Der Ketzer von Arget

München (taz) — Die „Dornenvögel“ hatten es angedeutet: Das Spektrum der theologischen Literatur läßt sich um das Genre des Pfaffenromans erweitern. Ausgerechnet in Oberbayern hat sich nun diese zart errötende Hoffnung in strahlende Wirklichkeit verwandelt. Und zwar so: „,Komm in mich! Ich kann es nicht mehr erwarten!‘ Dabei hob Heidi ihre Beine und legt sie über meine Schultern. In Gedanken hörte ich sie rufen: ,Fest! Stoß zu! Ja! Ja! Fester! Gut! Gut!‘“

Was will man von einem katholischen Pfarrer erwarten, der so etwas schreibt und der nur Samstagmorgen um acht Uhr Zeit hat? Willibald Glas, der 64jährige Gemeindepfarrer des oberbayerischen Dörfchens Arget, sieht gar nicht wie ein geiler alter Priester aus. Seine flinken wasserblauen Augen sind so unbekümmert und aufmerksam wie die eines Kindes.

Heute hat er eine Trauung. Die zweite schon, seit ihn ein wutschnaubender Kardinal Friedrich Wetter im Mai zwangspensionierte. Glas pfeift auf die Anordnungen des Erzbischofs: „Ich bin vom Pfarrgemeinderat gewählt, und damit basta.“ Wetters Vorgänger Kardinal Ratzinger kapitulierte seinerzeit vor dem streitbaren Pfarrer: 1980 verordnete er Glas ebenfalls den Vorruhestand, nachdem dieser von der Kanzel aus zum Boykott des „Peterpfennigs“, einer Papstspende, aufgerufen hatte. Der „Psychopath“, wie ihn die Pressestelle des Erzbischofs einmal tituliert hatte, scherte sich aber nicht zum Teufel — und Ratzinger setzte ihn in Gottes Namen wieder ein.

Den Zusammenstoß mit dem „Feldherrn im Talar“, wie er seinen Chef Wetter nennt, verdankt Glas der Veröffentlichung seiner Autobiographie, die sich kritisch mit den Strukturen der Amtskirche und der psychologischen Funktion ihres Regelwerks auseinandersetzt. Im September folgt nun das zweite Werk, genannt „Die Hochzeit des Pfarrers“. Der Titel und die eingangs zitierten Zeilen belegen, daß der Pfaffenroman in seinen Niederungen von den Ärzte- und College-Girl-Heftchen nicht weit weg ist.

Kardinal Wetters Blitz dürfte jedoch eher über anderen Stellen niederfahren: Da wird die Bibel als eine Sammlung von Märchen gesehen, da wird die göttliche Abstammung Jesu bezweifelt und die Jungfrauen-Geburt verlacht. Mittelpunkt des Romans aber ist das Zölibat. „Das Zölibat ist ein Mittel der Unterdrückung, mehr nicht“, sagt Pfarrer Glas, der seit Jahren offen mit seiner Freundin zusammenlebt. „Es dient dazu, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle zu erzeugen.“ Papst und Bischof sind für ihn Symbole autoritärer Herrschaft. Der Vatikan stehe vor einer noch größeren Herausforderung als während der Reformation: Er müsse lernen, die Bibel als Menschenwerk zu verstehen und endlich aus dem Mittelalter herauskommen. „Ich habe das alles Kardinal Wetter zu sagen versucht. Aber der meinte: Es gibt keine Krise in der Kirche“, so Glas. Wenn der Wetter Krieg will, bitte: Die Argeter drohen, mit Stinkbomben und Lärm die Gottesdienste in München zu sprengen, wenn ihr Pfarrer weitere Disziplinarstrafen erhält.

Und jetzt muß der Pfarrer gehen. Eine kleine, streng verbotene Trauung vollziehen. Ein paar verpönte Buchpassagen überarbeiten. Ein paar ketzerische Gedanken ausbrüten. Und am Nachmittag geht's zum Baden. Henrike Thomsen

„Der Pfarrer von Arget“ und „Die Hochzeit des Pfarrers“ erhältlich bei: Verlag Pfarrer Glas, 8029 Sauerlach, Michelisstr. 29