Billiger Stromtarif oder: Späte Reue des Bürgermeisters

■ Stadtwerke-Vorstand veranlaßte 1978 die Billig-Strom-Lieferung an Politiker

Bürgermeister Klaus Wedemeier hat vier Jahre lang Vergünstigungen von den Stadtwerken erhalten. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Stadtwerke über das Wochenende für das Rathaus zusammengestellt haben. Die taz hatte in der letzten Woche öffentlich gemacht, daß Wedemeier über Jahre für seinen Haushaltsstrom nur die Hälfte des üblichen Tarifs zahlen mußte.

Bislang hatten Wedemeier und die Stadtwerke von drei Jahren Billig-Strom-Bezug geredet. Jetzt heißt es: Nachdem Wedemeier am 23. August 1988 zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt worden war, hätten die Stadtwerke Wedemeier den Billigstrom rückwirkend zum März 1988 gewährt. Eingestellt wurde die Abrechnung laut Senatspressestelle mit der Abrechnung vom 26.3.1992. Wedemeier hatte dadurch einen durchschnittlichen Vorteil von 440 Mark im Jahr.

Der Bürgermeister will die Vergünstigungen im Februar 1992 bei einem Gespräch mit Stadtwerke-Vorstand Jörg Willipinski gestoppt haben. Die Frage, wer über die Beschäftigten hinaus in den Genuß des Werktarifes käme, hätte damals nicht unmittelbar geklärt werden können. Wedemeier habe dann darum gebeten, diese Praxis für alle eventuell Betroffenen einzustellen, für ihn selbst sofort.

Am Rande einer Pressekonferenz gab Wedemeier zu, daß es ein Fehler gewesen sei, den Stopp erst so spät zu verfügen: „Ich ärgere mich selbst darüber, daß ich das nicht früher gemacht habe“, meinte Wedemeier. Die Rücktrittsforderung der CDU bezeichnete Wedemeier als „abwegig“.

Auch die Stadtwerke äußerten sich gestern per Pressemitteilung zu den Vergünstigungen. Danach erhielten alle Mitglieder des Aufsichtsrates bis zum Dezember 1971 den Energie-Rabatt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Koschnick veranlaßte damals, daß die Praxis beendet wurde. Im Juni 1978 veranlaßte der damalige Vorstand, daß Koschnick diesen Bonus wieder bekommen sollte. „Für Koschnick war diese Veränderung nicht automatisch erkennbar“, heißt es in der Pressemitteilung. Die dann folgenden Aufsichtsratsvorsitzenden Jantzen, Franke und Thape haben nach Aussage der Stadtwerke keine Rabatte für ihre privaten Stromrechnungen erhalten. Damit korrigierte sich das Unternehmen nachträglich. Denn gegenüber Wedemeier hatten die Stadtwerke ursprünglich gesagt, es handele sich um gängige Praxis von Kaisen bis Wedemeier.

Ab 24.11. 1986 bekam dann Claus Grobecker den Mitarbeiterbonus. „Grobecker wußte das, hat aber keine Veranlassung gesehen, das zu korrigieren“, meinte Stadtwerkesprecher Berndt. Grobecker habe wohl gedacht: ‘Andere bekommen das, warum ich nicht auch‘, meinte Sprecher Berndt.

Mit der Pressemitteilung korrigierten die Stadtwerke auch eine Aussage gegenüber der taz. Am Freitag noch hatte Berndt behauptet, der derzeitige Vorstand habe die Vergünstigungen nicht herbeigeführt. Jetzt heißt es: „In jedem Fall waren die Vergünstigungen auf Vorstandsentscheidungen zurückzuführen.“ Ob Stadtwerke-Chef Günter Czichon die Vergünstigungen höchstpersönlich veranlaßte, wurde gestern noch nicht verraten. hbk