„Es gipfelt in Beschimpfung!“

■ Post aus dem Rathaus: Bremens Verleger unter Politikerbeschuß

Verleger bekommen häufiger mal Post aus dem Rathaus. In der Regel werden dabei Einladungen zu festlichen Anlässen ausgesprochen, bisweilen beschweren sich die Mächtigen höchstpersönlich oder per Pressesprecher über majestätsbeleidigende Berichterstattung.

Jetzt hat auch Bürgermeister Klaus Wedemeier sein Coming- Out als gekränkte Leberwurst gehabt. Bezogen auf die „Wedemeier-Einen-Kopf-Kürzer-Berichterstattung“ eines WK-Redakteurs schrieb der Bürgermeister an dessen Verleger, den „sehr geehrten Herrn Ordemann“:

„Aufgrund der abermaligen einseitigen und falschen Berichterstattung im Weser Kurier über das Ergebnis der Sitzung des SPD- Landesvorstandes vom vergangenen Freitag sah ich mich heute gezwungen, mit einer Presseerklärung zu reagieren.“ Zwar bedaure er, daß es soweit gekommen sei, aber eine Berichtererstattung, „die eine Ihrer Zeitung ansonsten fremde Form des Kampagnenjournalismus anzunehmen droht“, könne er nicht akzeptieren. Bewußte Einseitigkeit in der Tatsachendarstellung solle der Weser-Kurier im eigenen Interesse vermeiden. Eine wahrhaft bürgermeisterliche Drohung, aber mit „freundlichen Grüßen.“

Über das Ergebnis durfte Wedemeier sich freuen. Wie nicht anders zu erwarten, liefern die eigenen Genossen täglich genug Stoff, um die Geschichten zu schreiben, aus denen Kampagnen gestrickt werden können.

Viel härter ging der Pressesprecher des Magistrats der Stadt Bremerhaven, Volker Heigen

mooser mit dem Nordsee-Zeitungsverleger Joachim Dietzen- Banke ins Gericht. Was war geschehen? Die Nordsee-Zeitung hatte einen Leserbrief abgedruckt, in dem behauptet wurde, daß ein polnischer Messerschleifer vierstellige Reperaturkosten für sein Auto vom Sozialamt bekomme, da er ansonsten seinem Beruf nicht nachgehen könne.

Das Sozialamt war erbost und schickte eine Richtigstellung. Das Amt habe nicht die Autoreparatur übernommen. sondern lediglich ein Darlehen gegeben. Daraus machte die Nordssezeitung nun keinen Aufmacher, sondern sie plazierte die Korrektur ebenfalls in der kleinen Leser

hier bitte

die Karikatur

briefspalte.

Und nun Auftritt Heigenmoser: Auch ein Leserbrief unterliege der pressegesetzlichen Sorgfaltspflicht. Dem sei nicht Genüge getan. O-Ton: „Ich stelle anheim, die Praxis der Veröffentlichung von Leserbriefen in der Zeitung ihres Hauses neu zu überdenken.“

Und weiter: „Als umgehend von Seiten des Magistrats die in dem Leserbrief aufgestellten abträglichen und falschen Behauptungen in einer Presseerklärung richtiggestellt wurden, wurde diese Presseerklärung gekürzt in der Leserbriefspalte veröffentlicht. Sie werden mir gestatten, die Meinung zu haben, daß dies

völlig unangemesen ist. ... Ich sehe mich veranlaßt, Ihnen meine Empörung über diesen für mich unverständlichen Vorgang mitzuteilen.“

Die Leserbriefpraxis habe dazu geführt, daß zahlreiche Anrufe „aufgebrachte Bürgerinnen und Bürger“ bei der Stadt eingegangen seien, „die nicht zuletzt in der Beschimpfung der städtischen Organe gipfelten.“

Und weil Herr Heigenmoser schon mal so erregt war, kündigte er dem „sehr geehrten Herrn Dr. Dietzen-Blanke“ an, daß er den Vorgang dem Deutschen Presserat zur Kenntnis geben werde.“ Auf das Ergebnis dürfen wir gespannt sein. hbk