Sony: Beziehungslose Kulissen um eine Piazza

■ Helmut Jahn aus Chicago gewinnt den Architektenwettbewerb für die Sony-Zentrale am Potsdamer Platz/ 25geschossiges Hochhaus und schmale Scheiben überschreiten vorgegebene Traufhöhe/ Piazza als Konkurrenz für den neuen Potsdamer Platz

Berlin. Einmal mehr hat Berlin ein Stück seines Potsdamer/ Leipziger Platzes verschenkt, bedeutet doch die Entscheidung des Bauwettbewerbs für die »Sony-Europazentrale« am Potsdamer Platz keine architektonische Offenbarung: Identität und Modernität werden einem beziehungslosen, einfältigen Entwurf geopfert. Die Jury unter dem Vorsitz Josef Paul Kleihues' (der übrigens in Chicago baut) prämierte die Arbeit des deutsch-amerikanischen Baumeisters Helmut Jahn mit dem ersten Preis und 70.000 DM. Der zweite Preis entfiel auf den New Yorker William Pedersen. Dritter wurde Walter Noebel, Berlin.

In enger Anlehnung an die Wünsche des Elektronik-Riesen entwarf Jahn für das dreieckige, etwa 30.000 Quadratmeter große Grundstück am Potsdamer Platz ein 25geschossiges schmales Büros-Hochhaus. Zugleich sind unterschiedliche Baukörper entlang der Neuen Potsdamer Straße und der Bellevuestraße in einer Höhe zwischen 37 und 53 Metern geplant, die mit zwei erhöhten Scheiben das Ensemble zum »Kulturforum« abriegeln. Diese rückwärtigen Blöcke nehmen das »Sony-Headquarter« mit rund 27.000 Quadratmetern Nutzfläche und das in neoklassizistischem Stil umgebaute »Filmhaus Esplanade« sowie Theater, Restaurants und Geschäfte auf.

Das Zentrum der Bebauung bildet ein elliptischer, glasgedeckter Stadtraum — die »Piazza«. Das 7.000 Quadratmeter große Oval aus Terrassen mit Cafés, Medienwänden und Läden wird auch von Wohnungen begrenzt und soll als »Veranstaltungsraum ganzjährig geöffnet« sein. Zwischen die Randbebauung und die abgerundeten Baukörper plante Jahn öffentliche Wege und die »Sony-Passage« sowie große »Tore« als Eingänge zur Piazza.

Einen »architektonisch hinreißenden, dynamischen Entwurf«, der sich trotz »künstlerischen Gewichts« in die städtebaulichen Vorgaben »diszipliniert« einfügt, wie Sony Geschäftsführer Reiner Wagner den Wettbewerbsbeitrag kommentierte, wird man bei genauerer Ansicht nicht erkennen können. Statt differenzierter Architektursprache und baulichen Strukturen aus Blöcken, Höfen, Wegen und Passagen, wie sie als Vorgabe der städtebauliche Entwurf »in der Tradition der europäischen Stadt« der Architekten Hilmer und Sattler fordert, wirken Jahns Architektur und Konzept neumodisch und »amerikanisch«. Die Fassaden der Bauten erscheinen gleichförmig und kulissenhaft — hier forderte die Jury dringend eine Überarbeitung, ebenso mahnte sie eine Reduzierung der Höhe des 85 Meter hohen Turms an. Der öffentliche Raum ist auf das »Spiel« und die Corporate Identity von Sony abgestimmt und bleibt Projektionsfläche der Unternehmensvorstellung. Zudem entwertet die große »Piazza« den Potsdamer Platz. Zeit für notwendige Überarbeitungen und die Empfehlung der Jury, die Realisierung gemäß der Berliner Tradition auf verschiedene Büros zu verteilen, bleibt: Nach Angaben des Senats werden die geplanten Tunnelarbeiten für Bahnen und Straßen erst Mitte der 90er Jahre abgeschlossen sein. Erst dann ist Baubeginn für Jahn/Sony. Rolf R. Lautenschläger