Sammlers buntes Lustobjekt: Telefonkarten

■ Erste Telefonkartenbörse in Bremen / Die Händler kamen, nur die Sammler blieben aus

Numeriert, klassifiziert, angestiert: TelefonkartenFoto: Christoph Holzapfel

Eines Tages beschloß der unbekannte Sammler: Ab heute horte ich Telefonkarten. Sprach's, steckte sie in Klarsichthüllen, numerierte, klassifizierte das „Chip-Modul“ auf der Rückseite und begann zu tauschen. Und als ihm ein zweiter dafür Geld bot, war die Lawine nicht mehr aufzuhalten.

Für die Plastik-Objekte ihrer Begierde reisen die Jäger heute nach Hannover, Hamburg oder Berlin, um eine limitierte Auflage zu erhaschen. Die ersten Karten, von den Telefonkunden noch zögerlich angenommen, werden heute für Preise bis zu 4.500 Mark gehandelt. Und seit immer mehr Menschen Alben für die kleinen Karten mit den abgerundeten Ec

hier bitte die Telefonkarten

ken anlegen, sind auch die limitierten Ausgaben von Firmen und Privatpersonen mehr als nur ein Werbegag: eine Geldanlage.

Jäger und Sammler, Händler und Freaks trafen sich am Sonntag im CVJM-Haus zur ersten Bremer Telefonkarten-Börse. Besser gesagt: Die Händler waren zur Stelle, doch die interessierten Sammler blieben aus. „Ich habe heute schon mehr Geld ausgegeben als eingenommen“, sagt Reinhold Kemmerling aus Willingen im Hochsauerland, der den Handel mit Telefonkarten seit vier Jahren professionell betreibt. Und Veranstalter Jörg Laermann räumt ein, der Zuspruch sei „noch 'n büschen dünn“. — Gerhard Kaller, Gründer der Te

lefonkarten-Sammler-Initiative in Olsberg, verströmt dennoch Goldgräberstimmung: „Der Wert einer Karte steigt innerhalb eines Jahres um 100 Prozent. Keine Bank bietet Ihnen eine so tolle Rendite.“

Bis vor zwei Jahren war Kaller noch Briefmarkensammler. Dann wurde ihm das Hobby zu teuer: „So, wie ich gesammelt habe, hätte ich 1990 10.000 Mark investieren müssen, um meine Sammlung mit Neuausgaben und Sonderstempeln zu komplettieren.“ Ein Bekannter schenkte ihm die Telefonkarte mit dem Airbus, „die Mauritius unter den Telefonkarten“, die heute zwischen 700 und 1.000 Mark gehandelt wird. Gerhard Kaller wäre heute froh, „wenn mir jemand 5.000 Mark für meine Briefmarkensammlung zahlen würde“.

Der Airbus ist längst nicht das teuerste Objekt. Den Wert eines bestimmten Motivs des Berliner TÜVs schätzen Insider auf 20.000 Mark. Je geringer die Auflage einer Karte, desto größer ist — theoretisch — ihr Wert. Aber es gibt auch Karten, für die sich keiner interessiert. Dann bleiben Jäger und Händler darauf sitzen.

Wie Briefmarkensammler sind die Telefonkarten-Freaks mit einer Lupe ausgerüstet: Kratzer mindern den Wert, Fehldrucke sind teurer. Jeder ernstzunehmende Sammler besitzt auch ein Prüfgerät, das anzeigt, ob eine Karte noch „voll“ ist. Unbenutzte Karten sind — weil seltener — wertvoller als die abtelefonierten.

Viel spannender als die bunten Plastikkarten sind die Gerüchte, die kursieren: Prügelei an einem Frankfurter Postschalter um die limitierte Auflage einer grellbunten Karte des volkstümelnd rustikalen „Kamin-Stübchens“. Schwarzgeschäfte von Postlern mit den goldenen VIP-Karten, auf denen die Schriftzüge von Staatssekretären und echten Postministern prangten. Gar nicht zu reden von den dunklen Kanälen, in denen die Karten versacken sollen, die nach Gebrauch in den Boxen landen, die die Telekom zwecks Recycling in den Telefonkartenhäuschen aufgestellt hat.

Auch die Telekom wirbt: „Sammeln Sie Telefonkarten — die neue Leidenschaft“. Die Managerzeitschrift Forbes soll Telefonkarten kürzlich als „Anlagetip des Jahrzehnts“ empfohlen haben. Händler Kemmerling ist dennoch skeptisch: „Irgendwann bricht das zusammen.“

Doch Sammler Kaller glaubt fest an die Zukunft der Telefonkarte: „Da ist zuviel Kapital drin. Die drei größten Briefmakrenhäuser sind schon eingestiegen. Und wenn die Schwarzgeldanleger das erst mal riechen ...“ Diemut Roether