Fall Demjanjuk vor US-Gericht

New York (dpa) — Mit großem öffentlichem Interesse ist am Dienstag vor dem sechsten US-Berufungsgericht in Cincinnati eine Anhörung eröffnet worden, die die Behauptung überprüfen soll, der 72jährige amerikanische Automobilarbeiter John Demjanjuk sei 1986 fälschlicherweise nach Israel ausgeliefert worden. Dort war Demjanjuk als angeblicher Wärter „Ivan der Schreckliche“ im Konzentrationslager Treblinka vor Gericht gestellt und zur bislang nicht vollstreckten Todesstrafe verurteilt worden. Zahlreiche Überlebende des Holocaust sowie Historiker und Journalisten aus aller Welt besuchten die Prozeßeröffnung.

Das Gericht hatte die Überprüfung des Auslieferungsverfahrens im Juni selbst angeordnet, nachdem bekanntgeworden war, daß alte sowjetische Dokumente nicht Demjanjuk, sondern den Ukrainer Ivan Marczenko als Ivan den Schrecklichen benannten. Die amerikanische Regierung hatte diese Dokumente im ursprünglichen Auslieferungsverfahren nicht eingebracht.

Im Vorfeld der Anhörung, die es in dieser Form noch nie gab, hatte sich die Internationale Vereinigung Jüdischer Anwälte und Juristen gegen die Neuverhandlung ausgesprochen. Sie argumentierte, eine Entscheidung zugunsten von Demjanjuk könnte Antisemiten und anderen Gruppen Auftrieb geben, die grundsätzlich abstreiten, daß es den Holocaust gegeben habe. Zudem könne die Arbeit einer staatlichen Behörde unterminiert werden, die geschaffen wurde, um in den USA untergetauchte Nazi-Verbrecher aufzuspüren. Die Verteidiger Demjanjuks hatten der Abteilung zur Aufdeckung von Nazi-Verbrechen im Justizministerium vorgeworfen, die sowjetischen Dokumente in der Auslieferungsverhandlung 1986 bewußt zurückgehalten zu haben.

John Demjanjuk war nach seiner Auslieferung in Israel wegen Mordes an 900.000 Menschen im Konzentrationslager Treblinka angeklagt und zum Tode verurteilt worden. Demjanjuk besteht jedoch darauf, Opfer einer falschen Identifikation zu sein. Auch israelische Gerichte prüfen noch immer, ob Demjanjuk tatsächlich falsch identifiziert worden ist.