Einfach leben, damit andere überleben

■ Worldwatch ruft im neuesten Bericht zur „Genügsamkeit“ in den reichen Industrienationen auf/ Umwelt geht am Konsum in den Industrieländern zugrunde/ 750 Dollar pro Kopf für Werbung

Berlin (taz/epd) — Der Globus ist heute eine Dreiklassengesellschaft von Prassern, Genügsamen und Hungernden. Zu diesem drastischen Ergebnis kommt die neueste Studie des Worldwatch-Instituts, die am Wochenende im Washington vorgestellt wurde.

Der Worldwatch-Wissenschaftler Alan Durning rechnet darin vor, daß das reiche Fünftel der Menschheit heute durch seinen Konsum mehr Schuld an der weltweiten ökologischen Zerstörung trägt als die übrigen achtzig Prozent zusammen. Zwei Drittel der für eine mögliche Klimakatastrophe verantwortlichen Treibhausgase und fast die gesamten weltweit freigesetzten Ozonkiller stammten von den Reichen.

Durning hat die Weltbevölkerung für den Bericht in drei “ökologische Klassen“ eingeteilt. 1,1 Milliarden Menschen mit einem Jahreseinkommen von weniger als 700 US-Dollar (1.050 Mark) lebten unter dem Existenzminimum. Wenn sie ihre Wälder abbrennen, sei dies oft zum Überleben notwendig. 3,3 Milliarden Menschen mit Einkommen zwischen 700 und 7.500 Dollar machten die „Mittelklasse“ aus, die die Umwelt wenig schädigten. Sie ernährten sich vor allem von Pflanzenprodukten, reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrrädern und lebten in einfachen Häusern.

Die 1,1 Milliarden Menschen in der „Verbraucherklasse“ seien vor allem in den Industrienationen Europas, in Nordamerika, Australien und in Japan zu Hause. „Wir im reichsten Fünftel (sind) Autofahrer geworden, Fernsehzuschauer, Junk-Food-Esser, Supermarkt-Einkäufer und Verbraucher von Wegwerfprodukten.“

Durnings Zahlen sind eindeutig: 86 Prozent des Aluminiums und der Chemikalien, 81 Prozent des Papiers, 80 Prozent von Eisen und Stahl sowie drei Viertel der Energie werden in den Industrieländern verschleudert. 61 Prozent des weltweit konsumierten Fleisches landeten in den Töpfen und Hundenäpfen der Reichen. Der größte Teil der Gifte und Atomabfälle habe in den Industrieländern seinen Ursprung.

Besonders scharf ging die Worldwatch-Studie mit der Werbebranche ins Gericht. In den USA gäben die Hersteller jährlich etwa 750 Dollar pro Person für Reklame aus — das ist genausoviel, wie eine Milliarde Menschen zum Leben hat. Die Branche suggeriere ein Glück, das Konsum nicht bieten könne. Umfragen zeigten, daß der Prozentsatz der US- Amerikaner, die sich als „sehr glücklich“ bezeichnen, trotz aller Waren nur bei einem Drittel liegen.

Das Zeitalter dieses “Megakonsums“ müsse jetzt zu Ende gehen, forderte der Wissenschaftler. Die reichen Industrienationen müßten zu einer “Ethik der Genügsamkeit“ finden, die Lebensstandard nicht mit Besitz und Konsum gleichsetze. Davon hänge letztendlich das Schicksal der Erde ab. ten