Autolobby schickt Mann und Maus ins Feld

■ Industrie entdeckt Herz für Rentner/ ADAC: Belastung für Autofahrer unzumutbar/ Sozialdemokrat Roth sieht Konjunktur gefährdet/ Bund der Steuerzahler will nur Abgabe, die nichts kostet

Berlin (taz) — Die Autolobby bietet Mann und Maus auf, um die Einführung einer Autobahngebühr auf Deutschlands geliebten Fernstraßen zu verhindern. Der ADAC, der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und der Bund der Steuerzahler lehnten gestern die Autobahngebühr kategorisch ab. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Roth, sah durch die geplante Gebühr das Wirtschaftswachstum gefährdet. FDP-Chef Graf Lambsdorff forderte Kanzler Kohl auf, die Diskussion zu stoppen.

Die Argumente im einzelnen: Beim BDI regte sich gestern angesichts der Autobahngebühr das soziale Gewissen. BDI-Präsident Heinrich Weiss schimpfte, eine solche Gebühr sei „unsozial“. Weiss sorgte sich vor allem um den Rentner, „der im Jahr auf eine minimale Fahrleistung kommt, aber genauso belastet wird wie ein Vielfahrer“. Nach diesem Ausflug ins Soziale vernachlässigte Weiss aber auch seine eigenen Klientel nicht: Massive Steuer- und Abgabenerhöhungen könnten Gefahren für die Autoindustrie heraufbeschwören. Und einen Alleingang bei den Lkw-Gebühren wäre für den BDI-Präsidenten nur dann zu akzeptieren, wenn „das alle Fuhrunternehmen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gleich belastet“. Schon heute trügen die deutschen Spediteure besonders schwer an Steuern und Abgaben.

Um Wirtschaftskraft und Wachstum sorgt sich auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Roth. Eine Mineralölsteuer und eine Autobahngebühr ohne gleichzeitige Kompensation bei der Einkommensteuer würden den privaten Verbrauch in Deutschland drosseln. Und wenn weniger verbraucht werde, erleide die Konjunktur einen weiteren Schock.

Das Präsidium des ADAC schrieb einen offenen Brief an Kanzler Helmut Kohl: Die finanziellen Belastungen für Autofahrer hätten einen so hohen Stand erreicht, daß „weitere Steigerungen unzumutbar sind“. Schon heute würden pro Liter Benzin zwischen einer Mark und 1,11 Mark als Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer an die Staatskasse fließen. Der ADAC erwähnte nicht, daß der Anteil am verfügbaren Einkommen, den eine vierköpfige Familie fürs Auto ausgibt, nach den Statistiken der Bundesregierung seit 1965 kontinuierlich gefallen ist und inzwischen bei rund 12 Prozent liegt. 1965 waren es noch 16 Prozent. Dafür stellt der ADAC aber fest, daß der öffentliche Nahverkehr ohnehin nicht in der Lage sei, mehr Fahrgäste aufzunehmen, wenn es denn in nennenswertem Umfang zu Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel kommen würde.

Der Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler, Dieter Lau, gab die ausgewogenste Stellungnahme ab. Er lehnte Straßenbenutzungsgebühren nicht grundsätzlich ab. Dies dürfe jedoch nicht zu Lasten der deutschen Autofahrer gehen. Besonders die 10 Pfennige mehr Mineralölsteuer seien „ökologisch schizophren“. Wenn sie Menschen vom Autofahren abhielten, dann sinke doch das Steueraufkommen, und es sei gar kein Geld mehr da für die Sanierung der Bundesbahn. ten