Zahlt eure Musik doch selber!

■ Wer ist kämpferischer? DAG will ÖTV mit Streikgeld Mitglieder abjagen

Der große Streik ist lange vorbei. Beamte und Angestellte freuen sich auf ihren Urlaub. Der öffentliche Dienst liegt in stillem Frieden. Überall? Nein. In einer kleinen Enklave, beim Wasser- und Schiffahrtsamt in Verden herrscht Aufruhr. Und schuld daran ist die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Die Konkurrenz von der Deutschen Angestelltengewerkschaft, die niemals schläft, hat jedenfalls gestern eine Pressemitteilung verfaßt und mit den Worten überschrieben: „ÖTV zahlt ihren Mitgliedern kein Streikgeld.“

Im Kern geht es natürlich um die mitgliedsbeitragsträchtige Frage: Welche Gewerkschaft vertritt die Interessen ihrer Mitglieder kämpferischer? „Wir!“ ruft in unserem Falle ungefragt die DAG. „Wir“ haben eine kämpferische Aktion an einem Streikmittwoch gemacht, die war so prima, daß auch ÖTV-Mitglieder mitgemacht haben. Und DAG-Bezirksleiter Hartmut Frensel erklärte damals kämpferisch, er werde sich mit der zuständigen ÖTV-Leitung in Minden in Verbindung setzen, damit die das Streikgeld für ihre Mitglieder zahlt. Falls die böserweise nicht in die Kasse greifen wolle, werde er dafür sorgen, daß seine DAG einspringt.

Soviel Hinterlist war der ÖTV- Bezirksleitung in Minden denn doch zuviel. „Keinen Pfennig zahlen wir zu“, verlautete es unbeugsam. Warum? Weil natürlich die ÖTV in Wirklichkeit die viel kämpferischere Gewerkschaft ist. Und deshalb hat die ÖTV für den Montag nach der DAG-Aktion die Wasser- und Schiffahrtsangestellten zu einem richtigen, weil unbefristeten Streik aufgerufen.

„Die tageweisen Aktionen der DAG machen keinen Sinn“, urteilt die zuständige ÖTV-Sekretärin Kornelia Lotte-Gläsel streng. Und außerdem: Wo kämen wir da hin, wenn jede immer gerade dann streiken würde, wenn es ihr in den Kopf kommt? „Streik hat auch etwas mit Disziplin zu tun.“ Und deshalb soll jetzt die DAG gefälligst ihre Streikkasse anzapfen, um die undisziplinierten ÖTV'ler zufrieden zu stellen. Lotte-Gläsel: „Wer die Musik bestellt, der soll sie auch bezahlen.“

Das will die DAG denn auch tun. Um den Werbewert noch einmal zu erhöhen, treten die Gelben vom Bremer Wall der ÖTV-Kollegin in Minden noch einmal kräftig auf den Latz. „Empört“ ist Frensel, „unsolidarisches Verhalten“ schimpft er vor sich hin - und freut sich wahrscheinlich schon auf viele Neueintritte.

Und vielleicht hat er ja Glück: Denn die Kollegen im Verdener Amt, die sind „verärgert“, ist aus dem Personalrat zu hören. Ein bis zwei überlegen gar, der ÖTV das Mitgliedsbuch zurückzuschicken. Was der Himmel verhüten möge: Denn dann, so wissen wir aus Erfahrung, geht der Kampf erst richtig los. hbk