Gentechnik-Warnung soll aufs Etikett

Berlin (taz) — Etiketten bewirken Wunder. Erinnern Sie sich noch an jene mittelständische Molkerei aus dem Süddeutschen, die auf ihren Joghurtbechern Anfang der achtziger Jahre zuerst vermerkte „ohne Bindemittel und ohne Konservierungsstoffe“? Richtig, ein Riesenerfolg.

Etiketten können den Lebensmittelproduzenten aber genauso erhebliche Kopfschmerzen bereiten. Wie beim folgenden Beispiel: der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Verbraucher-Initiative haben gestern in Bonn gefordert, genmanipulierte Lebensmittel sollen künftig am Etikett zu erkennen sein. Und Bündnis 90/Die Grünen kündigten parallel dazu einen entsprechenden Gesetzentwurf an. Die Begründung der Umwelt- und VerbraucherschützerInnen war ebenso einfach wie bestechend: „Für all die gentechnisch manipulierten Produkte gibt es keine besonderen Kontrollen und Zulassungsverfahren“, so Beate Fackeldey von der Verbraucher-Initiative. „Und die Risiken werden verdrängt“, ergänzte der Lebensmittelexperte des BUND, Jörg Bernhard. Die Freisetzung genmanipulierter Mikroorganismen werde zum Dauerfall. Die Kennzeichnungspflicht müsse auch für Zusatzstoffe gelten. Solche genmanipulierten Zusatzstoffe würden in der Bundesrepublik möglicherweise schon angeboten.

Mit dem informativen und „wertneutralen“ Etikett „gentechnisch verändert“ wollen die Umwelt- und VerbraucherschützerInnen nun den Kundinnen und Kunden die Möglichkeit zum Gegensteuern bieten: für oder gegen diese Risiken, für oder gegen die gesellschaftlichen Konsequenzen einer industrialisierten Landwirtschaft. Sie kritisierten gleichzeitig den Entwurf einer EG- Verordnung über neue Lebensmittel, der eine solche Kennzeichnungspflicht nicht vorsehe.

Das Vertrauen von Fackeldey und Bernhard auf König Kunde wird durch einige neuere Untersuchungen gestützt. „Die EG-Kommission gab 1991 in den Niederlanden eine Studie in Auftrag, um nach der Akzeptanz genmanipulierter Lebensmittel zu forschen“, so BUND-Experte Gerd Spelsberg. Das Ergebnis lasse sich am Beispiel Schweinefleisch hervorragend demonstrieren. Auf einer Skala von 1 (kaufe ich nie) bis 5 (kaufe ich sehr gern) rangierte normales Schweinefleisch in der Kundeneinschätzung bei 4,5. Erhielten die Verbraucherinnen die Information, daß eine Genmanipulation des Schweinefleisches stattgefunden habe, mochten viele den Braten nicht mehr anrühren, der Wert sank auf 2,2. Wenn diese Manipulation mit menschlichen Wachstumhormonen erfolgt sei und die Risiken nicht völlig geklärt seien, sackte die Lust auf Schweinerippchen sogar auf den Wert 1,5. Kein Wunder, daß die Industrie auf diese Information lieber verzichten möchte. ten