Staatsanwalt auf der Anklagebank

■ Prozeß gegen Sondermüllfirma Plump: trotz 300.000 Mark keine Einstellung

„Ihre Anklageschrift erfüllt den Tatbestand der Fahrlässigkeit!“ Ganz dick bekam es gestern die Bremer Staatsanwaltschaft im Prozeß gegen die Sondermüllfirma Plump von den Anwälten der Beschuldigten. Fünf MitarbeiterInnen der Firma, vom Geschäftsführer bis zur Laborantin, wird vorgeworfen, im Dezember 1989 mehrfach hochbelastete Abwässer in das Bremer Kanalnetz eingeleitet zu haben. In der Folge soll die Kläranlage in Seehausen gestört und die Weser mit einer erhöhten Schadstoff-Fracht belastet worden sein.

Nach dem gestrigen, zweiten Verhandlungstag steht fest: Falls das Verfahren überhaupt bis zu Ende geführt wird, können Jahre bis zum rechtskräftigen Urteilsspruch vergehen. Deshalb, und auch wegen der hohen Kosten und des wahrscheinlich niedrigen Strafmaßes, hatte der dem Schöffengericht vorsitzende Richter Klaus Richter zu Beginn der Verhandlung mit einem Vorschlag überrascht: Das Verfahren solle doch wegen geringer Schuld und fehlenden öffentlichen Interesses eingestellt werden.

Auf diese Argumentation ließ sich Günter Bandisch als Rechtsanwalt des Plump-Geschäftsführers gerne ein. Wenn überhaupt, so Bandisch, dann komme höchstens eine Verurteilung wegen fahrlässiger Gewässerverschmutzung in Betracht. Zudem sei die juristische Materie „ungeheuer schwierig“. Und da die Firma wegen der negativen Schlagzeilen weder einen Zivilprozeß noch ein langes Strafverfahren wolle, habe man sich mit dem Amt für Stadtentwässerung inzwischen auf einen Vergleich geeinigt. Danach zahlt Plump zur Schadenswiedergutmachung 300.000 Mark, ohne allerdings damit ein Schuldbekenntnis abzulegen. Dieser Vergleich war gerade in der letzten Woche unterschrieben worden, offensichtlich in der begründeten Erwartung, daß die Staatsanwaltschaft dann der Einstellung des Verfahrens zustimmen würde.

Doch Staatsanwalt Fritz Haar mußte die Angeklagten enttäuschen. Schon vor der Verhandlung hatte er sich von der Leitung der Staatsanwaltschaft die Direktive geholt, einer Einstellung zu widersprechen, da es sich bei der Gewässerverschmutzung um die „schwerwiegendste Umweltverschmutzung seit langem“ gehandelt habe.

„Wenn die Staatsanwaltschaft dem so großes öffentliches Interesse unterstellt, wäre es verdammt noch mal ihre Pflicht gewesen, das beim Landgericht anzuklagen“, ärgerte sich darauf der Richter. Und die Rechtsanwälte konfrontierten Staatsanwalt Haar mit diversen Nachlässigkeiten bei der Erstellung der Anklageschrift. „Ein Schnellschuß“, meinte Bandisch. Worauf Haar meinte: „Da soll es beim ASA noch ein Gutachten zum Klärschlamm geben“. Eine Bemerkung, die er besser nicht gemacht hätte: Denn jetzt warfen ihm die Anwälte vor, Beweismittel vorenthalten zu haben: „Wenn Sie ein Exempel statuieren wollen, dann nicht mit so einer Akte. Erst ermitteln Sie schludrig und wir stochern dann in der Brühe 'rum.“ Darauf der hilflose Staatsanwalt: „Jetzt geht es schon wieder gegen mich.“

Da ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens nicht möglich ist, beschloß das Gericht diverse Beweisanträge der Anwälte nach Einschaltung von Gutachtern zuzulassen, setzte das Verfahren von Amts wegen aus und forderte die Staatsanwaltschaft auf, dafür zu sorgen, daß die Klärschlammanalysen allen Prozeßbeteiligten zur Verfügung stehen. Wann der Prozeß fortgesetzt wird, steht damit erstmal in den Sternen. hbk