Villa Kunterbunt am Körnerwall

■ Ungeliebte Kinderschule soll Bremer Schulmodell werden

Jahrelang war sie das ungeliebte Schmuddelkind des bremischen Schulsystems, jetzt soll sie Modellschule werden. Die Rede ist von der „Kinderschule“ am Körnerwall. In einem Bremer Haus, hintenraus ein grüner Garten, lernen und leben tagsüber gut 30 Kinder mit ihren vier LehrerInnen. Nicht allzuviel in den drei Etagen erinnert an Schule. An der Wand des winkligen Zimmers hängt zwar die unvermeidliche Tafel, doch hinten in der Ecke, da steht ein kuscheliges, breites Bett. Und wenn eins der Kinder keinen Bock auf Lesen oder Schreiben hat, dann legt es sich im Zweifelsfall in eine Ecke.

Solch pädagogische Idylle war der Bremer Bildungsbehörde über zehn Jahre ein steter Dorn im Auge. Und so versagte die Behörde der pädagogischen Villa Kunterbunt am Körnerwall die staatliche Anerkennung. Seit 1987 wurde die Schule quasi illegal betrieben. Jetzt, rechtzeitig zum Schuljahrsende, meldet die Kinderschule Entwarnung: „Wir sind auch offiziell wieder da“, sagt Anja Blumenberg, eine der Mütter, deren Kind zum nächsten Schuljahr höchst amtlich eingeschult werden darf.

Denn seit die Ampel in Bremen regiert, hat die Kinderschule bessere Karten. Modellschule heißt das neue Wort, von dem noch niemand genau weiß, wieviel Zauber sich dahinter verbirgt. Die pädagogischen Besonderheiten, da sind sich Eltern und Lehrer einig, sollen auf jeden Fall bleiben. Eine dieser Besonerheiten ist beispielsweise, daß es keine Klassenverbände gibt, sondern die Kinder in drei Gruppen von etwa zehn Köpfen zusammengefaßt sind. Die jüngsten Kinder sind vier, die ältesten sind zehn, die hier von morgens um halb neun bis nachmittags um drei zusammen sind. Die Eltern kochen und putzen und zahlen auch, 240 bis 260 Mark im Durchschnitt.

Das könnte möglicherweise bald anders werden. Ein fester Haushaltstitel „Kinderschule“, so die Hoffnung, könnte Ergebnis der Verhandlungen über den Status der Modellschule sein. Doch manche Eltern treibt dabei eine Sorge um: Was, wenn der Verein finanziell von der Bildungsbehörde abhängig ist? „Es gibt die Angst, daß die Selbstverwaltung und der Charakter des Projekts verloren gehen“, sagt Lehrer Detlef Papke. Bis zum Schuljahr 1993/94 sollen die Verhandlungen zwischen Behörde und Kinderschule abgeschlossen sein.

Für das im August beginnende Schuljahr hat der Verein Kinderschule aber einen anderen Wunsch: Noch ein paar Anmeldungen von vierjährigen für die jüngste Gruppe. hbk