Kochtips für den Krieg

■ Durchhaltesender „Radio Bosnien“ in Sarajewo

Für 150.000 Menschen in Sarajevo ist es die einzige Verbindung zur Welt: Das Radio. Da nahezu überall die Stromversorgung zusammengebrochen ist, können die Menschen das Fernsehen in ihren Wohnungen nicht mehr empfangen. Da Batterien absolute Mangelware sind und niemand weiß, wie lange man noch durchzuhalten hat, schalten viele nur für Minuten auf die Frequenz ihres Haussenders „Radio Bosnien“, 612 kHz. Dort bekommen sie auch in kurzer Zeit viel von dem mit, was dem Überleben hilft. Da werden Tips gegeben, wie man Batterien auflädt, wie man aus Wiesenblumen einen Salat zubereiten kann, wie man die wenigen Lebensmittel so aufteilt, daß man nicht allzusehr Hunger leidet. Und immer wieder Verhaltensregeln, um nicht in Panik, in Verzweiflung zu geraten, wenn man seit Tagen in kalten Kellern zu sitzen hat und keine Zukunft vor sich sieht. Der Sender wird nicht müde, Europa anzuklagen, gegen die „serbojugoslawische Aggression“ nichts zu unternehmen, die bereits drei Kriege angezettelt habe. Man ruft die Bürger Sarajevos auf, „bis zum bitteren Ende“ durchzuhalten, mit eigenen Mitteln den Aggressor zu schlagen, da man wenig Hilfe erwarten könne. Es wird den Menschen ins Gedächtnis gerufen, vor einem Jahr habe Belgrad den ersten Krieg gegen Slowenien vom Zaun gerissen und dort scheue man sich nicht, noch weitere Kriege anzuzetteln. Auch der serbischen Opposition sei nicht zu trauen, sie verfolge wie Milosevic einen „großserbischen Kurs“, verhalte sich zu den Minderheiten im eigenen Land wie „Kolonialherren“ und müsse erst noch unter Beweis stellen, daß sie den Krieg um Sarajevo wirklich stoppen könne. Die Devise des Senders: Den Feind militärisch schlagen!

Wie es jedoch auf den Schlachtfeldern in Bosnien und um Sarajevo aussieht, darüber macht „Radio Bosnien“ nur ungenaue Angaben: „Der Feind darf nicht wissen, wie unsere militärischen Operationen geplant werden“. Angeblich werden selbst eigene militärische Erfolgsmeldungen über die elektronischen Medien nicht mehr weitergegeben, um dem Feind so überhaupt keine Anhaltspunkte zu liefern. Um die eigenen Kämpfer jedoch aufzumuntern sendet der „Befreiungssender“ rund um die Uhr eilig neukomponierte Kampflieder und alte historische Volksweisen. Der Hit: „Sarajevo, Stadt des Stolzes, wir geben dich nicht auf, deine Freiheit ist unsere Freiheit.“ Roland Hofwiler