„...sonst pusten wir die Ampel aus“

■ Größter Protest seit Jahren: 15.000 demonstrierten gegen die Sparpolitik an Bremer Schulen

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Demo-Foto

Mit 1000 Transparenten und...

Die LehrerInnen hatten gut vorgearbeitet: Welchen Schüler man gestern auch fragte, warum er denn gegen die Schulpolitik demonstriere, die Antwort war immer ähnlich: „Wir sind jetzt 25 und sollen 30 oder 35 werden“, meint Stefan, Zehntklässler in der Lothringer Straße. „Aus 27 Schülern sollen 31 werden“, hat Susanne aus der 7. Klasse des Alten Gymnasiums gehört, und der Klassenraum ist doch jetzt schon zu eng. Die 13jährige Anke findet es „nicht gut“, daß die Klasse auf 30 Schüler aufgefüllt werden soll: „Dann kommen wir in einer Stunde höchstens noch einmal dran.“ Und die neunjährige Nina findet es schlicht „doof, wenn so viele Kinder in die Klasse kommen.“ Klassenkameradin Sarah ergänzt: „Unser Lehrer hat gesagt, daß wir bald 30 Kinder sein sollen.“ Derweil singt ein Lehrerchor zur Melodie von Groenemeyers „Männer“: „Lehrer sind sooo verletzlich. Lehrer sind auf der Welt unersetzlich...“

Riesenstimmung war gestern auf dem Bremer Marktplatz. Und voll war's: Denn die große Mobilisierungsaktion von Lehrern und Eltern gegen die Bremer Schulpolitik hatte gewirkt. 15.000 Demonstranten von ganz klein bis graubärtig waren meist klassenweise in die Stadt gezogen, andere hatten die Ortsämter besucht oder morgens beim Bürgermeister vor der Tür gestanden, um ihm selbstgemalte Bildchen gegen die Sparpolitik des Bremer Senats in die Hand zu drücken. Der DGB-Vorsitzende Siegfried Schmidt hatte eine Solidaritätserklärung geschickt und „dem Kampf großen Erfolg“ gewünscht.

Die RednerInnen, die sprachen, hielten sich kurz: „Mit dem Aufsetzen einer grünen Mütze ist es nicht getan“, erinnerte eine Personalrätin an Bürgermeister Klaus Wedemeiers großen Auftritt bei den Werder-Feierlichkeiten. „Sie haben Werder doch auch nicht vorgeschlagen, nächstes Jahr mit neun Spielern deutscher Meister zu werden.“

Ein Schülervertreter ruft pathetisch: „Politiker, wie könnt ihr es wagen, unsere Chancen so zu zerstören.“ Ein anderer kündigt Unterrichtsboykott nach den Sommerferien an. Ein Lehrer fordert die Kollegien auf, Beschlüsse zu fassen, daß die Planungen für das kommenden Schuljahr die Vorgaben der Behörden einfach nicht berücksichtigen. Und alle gemeinsam rufen: „Bürgermeister Klaus, komm heraus, sonst pusten wir die Ampel aus.“

Doch Wedemeier hatte wegen eines Eiklekses auf dem weißen Hemd den Marktplatz längst verlassen. Und so war niemand vom Senat da, um die 58.000 Unterschriften in Empfang zu nehmen, die in den letzten Wochen gegen die Sparpolitik in den Schulen gesammelt worden sind.

Nach der Versammlung spricht Elternvertreter Friedrich Schmitz von einer „einmaligen Volksfront“ und davon, daß die Proteste weitergehen werden. „Daran kann kein Senat vorbeigehen. Der Haushaltsentwurf muß überarbeitet werden.“ Und Personalrat Pit Spieß ärgert sich über das Argument des Senats, daß die Standards an den Bremer Schulen besser seien als in anderen Ländern: „Da sind Äpfel mit Kompott verglichen worden.“

Auch der 10jähriger Norman aus der Schule Brokstraße hat seine eigenen Erfahrungen mit den Bremer Standards: „Bei uns ist die ganze Turnhalle voll Asbest und die wollen sie uns nicht wieder heile machen.“ Um 12 Uhr zerknallen ein paar hundert Luftballons in den Ampelfarben, die Domglocken läuten, die größte Bremer Kundgebung seit Jahren ist zu Ende. hbk