Egal, wer gewinnt

■ Elf Fanprojekte aus der ganzen Bundesrepublik trafen sich am Rande der Pokalendspiele in Berlin in einem Zeltlager

Berlin (taz) — Schon vor dem großen Pokalfinale gab es für die 150 Teilnehmer am Zeltlager der Fanprojekte allerhand Streß. Erstmalig veranstaltete man ein Fanturnier für elf Clubs (geplant: zwölf Mannschaften, aber die Union Berlin fand wohl den Weg nicht und trat einfach nicht an) und vergab, um den Fortbestand des Turniers gleich zu manifestieren, einen Wanderpokal.

Am Freitag aus dem Bus steigen und auflaufen war für manche eins. Während sich die Hertha-Fans anstrengten und im Finale „knapp“ (ein Oldenburger) mit 6:1 gegen Oldenburg gewannen, nahmen andere ihre Plazierungsspiele nicht mehr ganz so ernst. So weigerte sich der Schiedsrichter im Spiel Kassel gegen Hamburg strikt, waterkantsche Touchdowns als Tore zu werten, war auch durch brilliante Argumentation („Über die Linie ist über die Linie.“) nicht von der schön vorgetragenen, gelungenen Symbiose aus Fuß- und Football zu überzeugen und pfiff nach einem prima Eigentor der Elbstädter, hervorgegangen aus einem unwiderstehlichen Alleingang über den ganzen Platz, „völlig uneinsichtig“ einfach das Spiel ab. Der guten Laune tat das keinen Abbruch, es blieb recht fair und abends ging es ans Feiern.

Das Berliner Fanprojekt war sehr zufrieden mit der Stimmung im Zeltlager. Man hatte viel Unterstützung seitens offizieller Stellen erfahren, so daß die zwölf beteiligten Projekte wenigstens in dieser Hinsicht rosig in die Zukunft blicken können. In der Arbeit vor Ort sieht es da schon wieder anders aus, der Berliner Etat für dieses Jahr ist in seiner Höhe noch ungewiß, eine geplante Reise zur EM nach Schweden für 20 Ost- und Westberliner mußte vor kurzem wieder abgesagt werden, weil der zuständige Jugendsenator bis heute nicht über den Antrag entschieden hat. Das Klientel der Fanprojekte scheint die Wichtigkeit der Institution besser begriffen zu haben als die politisch Verantwortlichen: „Soll'n wir mal ein bißchen ausschreiten, daß ihr mehr Geld bekommt?“, boten Fans an, die eigentlich schon seit Monaten nicht mehr besonders aufgefallen waren.

Die im Zeltlager übernachteten, machten sich derweil wieder auf, man war mit Freunden aus anderen Städten verabredet, wollte bummeln und mußte schließlich ja noch diejenigen wiederfinden, die privat übernachtet hatten oder verschollen waren. Jeder Teilnehmer hatte Karten fürs Pokalfinale bekommen und so mußte man sich noch mit dem Problem herumschlagen, wen man denn jetzt unterstützen sollte.

Aber weil man im selben Block sitzen würde, war auch die Parteinahme letztlich unwichtig, denn „wir haben uns alle so gut verstanden, wir werden schon viel Spaß haben, egal wer gewinnt“. Gladbacher und Hannoveraner hatten sowieso keine Fanabordnung geschickt.

So blieb nach Adressenaustausch („Besser jetzt, man weiß ja nie, wie hinüber wir später sind!“), letzten Aufräumarbeiten und erster Hilfe („Aspirin! Schnell! Ich sterbe!“) nur noch einem ein einziger großer Wunsch, über dessen Erfüllung leider nichts bekannt ist: „Ist mir wirklich vollkommen egal, wer gewinnt und wie das Spiel ist, wenn ich nur neben der netten Magdeburgerin sitzen darf.“ Elke Wittich