AnwohnerInnen stoppen Freierverkehr

■ Straßenstrich Friesenstraße war am Samstag gesperrt / Prostituierte wichen auf Humboldstraße aus

Verkehr umgeleitet.Foto: Falk Heller

Es war eine Athmosphäre wie bei einem X-beliebigen Straßenfest. Die Sonne tat ihr Bestes, AnwohnerInnen saßen mit ihren Kindern auf Holzbänken und plauderten bei Kaffee und Kuchen. Allein das vorherrschende Gesprächsthema wies auf die Besonderheit hin: Straßenstrich, Drogen, Utrechter Modell.

Das ganze spielte sich am Samstag von vier Uhr nachmittags bis Mitternacht in der Friesenstraße im Bremer Steintor ab. Seit Jahren fühlen sich die meisten AnwohnerInnen von dem dortigen Straßenstrich geplagt, klagen über ständigen Freierverkehr, Spritzen und Präservative auf dem anliegenden Spielplatz. Und seit Jahren wird der Ruf immer lauter: Der Strich muß hier weg. Um noch einmal nachdrücklich auf diese Forderung hinzuweisen, hatte die Spielplatzinitiative mit AnwohnerInnen zusammen die Einbahnstraße kurzerhand dichtgemacht. Motto: „Keine weitere Saison Straßenstrich.“

Auf die Unterstützung des Beirates Östliche Vorstadt können die AnwohnerInnen rechnen. Der Beirat hatte Anfang Mai Senat und Bürgerschaft aufgefordert, noch vor der Sommerpause einen neuen Standort für den Strich zu benennen und bis September die Verlegung durchzuführen. Das Zauberwort heißt dabei „Utrechter Modell“. In der holländischen Stadt war der Straßenstrich an einen von Wohngebieten entfernten Ort verlegt worden, wo die Prostituierten unter städtischer Aufsicht ihrer Arbeit nachgehen. Frauen, die außerhalb dieses Gebietes ihre Dienste anbieten, werden von der Polizei rigoros eingesammelt. Neben der Entlastung des Wohngebietes verweisen die Verfechter des Modells auf größere Sicherheit für die Frauen. In Bremen war eine neue Dynamik in die Diskussion gekommen, nachdem vor 14 Tagen zwei drogenabhängige Prostituierte von einem bislang unbekannten Mann umgebracht worden waren.

Nicht alle AnwohnerInnen waren am Samstag mit der Aktion einverstanden. Ein Flugblatt kursierte, auf dem die Protestierenden in die Nähe von Faschisten gerückt wurden, einige Junkies kamen und protestierten gegen die Ausgrenzung, und eine Gruppe mit dem Namen „Freunde aller Junkies e.V.“ warf den als „Spielplatzverein Wir im Viertel verkleideten Spieß- und Kleinbürgern“ vor, ihnen sei es „scheißegal“, was mit den „Frauen vom Acker“ geschehe. Ein paar Prostituierte holten sich zwischendurch Marmor- und Pfirsichkuchen ab.

An der mit einer Schranke geschlossenen Wielandstraße, die von vielen Freiern als Zufahrt zum Straßenstrich benutzt wird, irrten am abend zahlreiche Autos mit Kennzeichen aus dem niedersäsischen Umland herum. Doch die Freier mußten nicht unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Die Frauen hatten sich einfach ein paar Meter weiter an der Humboldtstraße zwischen Fehrfeld und Hornerstraße aufgestellt.

Die AnwohnerInnen waren dennoch mit ihrer Aktion zufrieden. „Es sollte ja nicht gegen die Frauen sondern gegen die Bremer Politik des Nichsttuns gehen“, meinte Stefan Schafheitlin, einer der Organisatoren und für „Wir im Viertel“ im Beirat. Wenn die Politik weiter auf Zeit spiele, verspricht Schafheitlin weitere Aktionen. „Eine weitere zweijährige Diskussion ist mit uns nicht zu machen.“

hbk