Kurden brechen Hungerstreik ab

Berlin. Aus Frust über zu wenig Resonanz bei Politikern und der deutschen Bevölkerung brach die Kurdengruppe im Weddinger Stadtteilladen »Medya« am Samstag ihren unbefristeten Hungerstreik überraschend ab. Am 6. April hatten rund 40 Männer und Frauen den Entschluß gefaßt, sich nur von Wasser, Tee und Zitrone zu ernähren, bis unter internationaler Aufsicht ein Referendum über das Selbstbestimmungsrecht der Kurden durchgeführt wird. Anlaß waren die anhaltenden Massaker der türkischen Armee gegen die kurdische Zivilbevölkerung. »Man muß realistisch sein. Wir wissen, daß die Einlösung unserer Forderung viel Zeit braucht«, begründete Nihad Dal vom Hungerstreikkomitee den Abbruch nach 19 Tagen ergebnisloser Aktion. Er zeigte sich insbesondere über das Desinteresse vieler Medien enttäuscht: »Wenn Menschen auf friedliche Art demonstrieren, passiert nichts, wenn aber jemand einen Stein wirft, steht das in allen Zeitungen.« Auch die Studentin Delal A. meinte: »Der Hungerstreik ist als Hilferuf nicht verstanden worden.«

Mit Ausnahme des Weddinger Sozialstadtrates Hans Nisblé (SPD) schaute kein Politiker bei den Hungerstreikenden vorbei, um sich über die Hintergründe der Aktion und die Lage in Kurdistan zu informieren. Nur die FDP-Fraktion erklärte sich via Presseerklärung mit den Forderungen solidarisch. »Von den Alternativen kam fast nichts«, klagte Nihad Dal. Weitere Unterstützung habe man nur von medico international und deutsch-kurdischen Organisationen bekommen.

Schon vor dem offiziellen Abbruch des Hungerstreiks stiegen auf Anraten eines Arztes zwei Kurden aus, deren angeschlagener Gesundheitszustand in der vergangenen Woche einen Polizeieinsatz ausgelöst hatte. Ein anderer verließ die Gruppe, weil sein Urlaub zu Ende ging und er seinen Arbeitsplatz nicht gefährden wollte.

Auf einer »Hungerstreik- Abschlußdemo« über den Kurfürstendamm forderte die Kurdengruppe am Samstag, die Türkei als Urlaubsland zu boykottieren und damit die türkische Regierung wirtschaftlich unter Druck zu setzen. In Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, daß die türkische Armee auch nach dem deutschen Waffenembargo kurdische Dörfer bombardiere und auf Zivilisten schieße. Allein in den letzten vier Wochen seien über 60 Menschen getötet worden.

»Da unsere Forderungen bleiben, werden wir natürlich weiter arbeiten«, kündigte Nihad Dal an. Das Hungerstreikkomitee soll in ein Bündnis umgewandelt werden, das weitere friedliche Aktionen gegen den Terror in Kurdistan initiiert. Der Hungerstreik, der sonst nur letztes Mittel sein könne, müsse eben »als Auftakt betrachtet werden«. Micha Schulze