Stoltenberg noch beim Abzählreim

■ Eins, zwei, der dritte Mann muß gehen/ Schuldzuweisung an Beamte/ SPD und Grüne fordern Aufklärung des illegalen Waffendeals und Ministerrücktritt/ FDP kritisiert nur zurückhaltend

Berlin (dpa/taz) — An der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums werden nach der illegalen Lieferung von Leopard-I-Panzern an die Türkei personelle Konsequenzen immer wahrscheinlicher. Am Wochenende machten Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg und sein Parlamentarischer Staatssekretär Ottfried Hennig (beide CDU) zwar noch leitende Beamte auf der Hardthöhe für die Panne verantwortlich, gleichzeitig verstärkte sich jedoch der Druck auf den Minister. Die SPD verlangte seinen Rücktritt sowie Sondersitzungen von Verteidigungsausschuß und Bundestag. Stoltenberg bekannte sich zu seiner „parlamentarischen Gesamtverantwortung“, sah aber personelle Konsequenzen nur auf der Ebene der Beamten. Hennig, Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl am kommenden Sonntag in Schleswig-Holstein, wollte laut 'dpa‘ sein Amt ohnehin aufgeben und unabhängig vom Wahlausgang in Kiel bleiben.

Stoltenberg und Hennig argumentierten unisono, daß die Sperrung von 25 Millionen Mark Militärhilfe an die Türkei von den leitenden Beamten des Verteidigungsministeriums hätte umgesetzt werden müssen. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hatte am 7. November diese Sperrung beschlossen. Hennig unterstrich, er habe dem zuständigen Rüstungshauptabteilungsleiter, Ministerialdirektor Wolfgang Ruppelt, der an der Sitzung teilgenommen habe, eine klare Weisung erteilt. Nach Darstellung der SPD in Kiel taucht der Name Ruppelt allerdings nicht in dem Namensprotokoll der damaligen Sitzung auf.

Hennig erklärte außerdem am Wochenende, in einem als „persönlich/vertraulich“ gekennzeichneten Brief habe er Stoltenberg schon einen Tag vor der Ausschußsitzung empfohlen, die Lieferung von NVA-Material an die Türkei einzustellen, weil es in „offenen militärischen Auseinandersetzungen mit Teilen der kurdischen Minderheit“ eingesetzt werden könnte. Der Brief kennzeichnete damals einen Gesinnungswandel. Eine Woche zuvor hatte der Staatssekretär laut Protokoll nämlich noch erklärt, mit der Sperre werde nicht das angestrebte Ziel erreicht, militärische Aktionen gegen die Zivilbevölkerung zu verhindern. Nur die rechtlich begründeten Ansprüche von deutschen Unternehmen, die die Umrüstungsarbeiten übernommen hätten, könnten nicht mehr erfüllt werden.

'Der Spiegel‘ berichtet in seiner neuesten Ausgabe, die „Auffangposition“ der Hardthöhen-Juristen sei jetzt, der Haushaltsausschuß habe nicht formal über die Lieferung der Panzer abgestimmt, sondern ohne inhaltliche Bedingung beschlossen, die Sonderrüstungshilfe an den Nato- Partner vorerst zu sperren.

SPD-Chef Björn Engholm sagte am Wochenende, es gehe nicht an, daß diejenigen, die politische Verantwortung trügen, in solchen Fällen die Schuld auf die Mitarbeiter abzuwälzen versuchten. Schmählich sei es, daß das Parlament bei der Lieferung von Waffen hintergangen worden sei.

FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff erklärte in Stuttgart, Stoltenberg und Hennig stünde es gut an, sich mehr mit der Organisation auf der Bonner Hardthöhe zu beschäftigen als mit dem Milliardenprojekt Jäger 90. Den Rücktritt wollte Lambsdorf aber nicht fordern. Schließlich hatte das FDP-geführte Außenministerium nach einem Bericht der 'Welt am Sonntag‘ noch im Februar selbst die Aufhebung der Sperre für Rüstungssonderhilfen an die Türkei vorgeschlagen. ten