Daimler-Benz auf baulicher Überholspur

■ Konzern lobt Architektenwettbewerb für Grundstück am Potsdamer Platz Ende März aus/ Hilmer und Sattler mit im Rennen

Berlin. Während sich die Unternehmen Hertie und ABB bei ihren Bauvorhaben am Potsdamer und Leipziger Platz noch tief im Winterschlaf befinden, steuert Daimler-Benz, mit Sony im Windschatten, auf die bauliche Überholspur. Die Auslobung des Architektenwettbewerbs für das 67.000 Quadratmeter große Grundstück »ist bis auf wenige zu klärende Punkte fertig«, sagte Daimler-Sprecher Eckhard Zanger. Im Unterschied zum Sony-Konzern, der sich noch in Verhandlungen mit der Architektenkammer und dem Senat um verkehrliche und städtebauliche Probleme müht, beabsichtige Daimler- Benz den Bauwettbewerb »Ende März/ Anfang April an zwölf bis vierzehn deutsche und internationale Architekten zu vergeben«. Die Sieger sollen in einem zweistufigen Verfahren ermittelt werden. Zanger rechnet mit der Jury-Entscheidung im Spätsommer dieses Jahres. Den Baubeginn benennt der Pressesprecher mit Mitte 1993, sollten bis dahin die notwendigen Bebauungspläne erstellt sein. Das Nutzungskonzept des Konzerns, um das es wegen der 5.300 geforderten Autostellplätze ein Gerangel mit dem Senat gegeben hatte (Daimler muß sich nun mit der nach wie vor kaum vorstellbaren Zahl von 4.000 Stellplätzen zufriedengeben), wird sich auf eine verabredete Mischnutzung konzentrieren. Daimler-Sprecher Zanger: »Statt eines früheren Büro-Anteils von rund fünfzig Prozent werden in der Auslobung stärker kulturelle Einrichtungen, wie beispielsweise ein Musical- Theater, Kaufhäuser und Hotels berücksichtigt werden.« Es bleibe bei dem zwanzigprozentigen Wohnanteil der Gebäude — in der Hauptsache für Appartements. Die Stellplätze sieht Zanger in unterirdischen Tiefgaragenwelten versinken, für die die Architekten »Lösungen« zu finden hätten. Daimler-Benz wünsche sich »keine baulichen Monostrukturen«, sondern erhoffe sich ein »Architektur-Mix« verschiedenster Stile und Formen. Die Realisierung werde auf rund zwei Milliarden Mark geschätzt. Hilmer und Sattler, die Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs, werden zu der Architektenkonkurrenz eingeladen. Ob der englische Architekt Richard Rogers auf der Daimler-Liste steht, wollte Zanger nicht bestätigen. Die Namensliste will Daimler aber noch in diesem Monat bekanntgeben.

Zweifellos wird Daimler-Benz bei der Auslobung die städtebaulichen Vorgaben einzuhalten haben. Doch der Senatsbeschluß zum Potsdamer Platz ist großzügig formuliert: Der Wohnanteil in den Projekten liegt bei besagten zwanzig Prozent der Bruttogeschoßfläche. Die Geschoßflächenzahl erlaubt eine Dichte von 5,0 GFZ. Bei der Traufhöhe ist »im Grundsatz« von fünfunddreißig Metern auszugehen, möglich sind aber zurückversetzte Staffelgeschosse unter Einhaltung des 60-Grad-Winkels. An »herausgehobenen Orten« kann gar eine »höhere Bebauung« angestrebt werden.

Abgesehen von einem nicht ökologischen Stellplatzkonzept (das den angestrebten »Modal Split« von achtzig Prozent öffentlichem Personennahverkehr und zwanzig Prozent Individualverkehr geradezu verhöhnt), wird die Auslobung sich zu Fragen des öffentlichen Raums, der Verkehrsführung und der sozialen Infrastrukturkonzepte äußern müssen. Hier ist der Senatsbeschluß nicht präzise genug gefaßt. Zwar gelte die »Generallinie Hilmer und Sattler für jede zukünftige Planung«, wie Ortwin Rathei von der Senatsbauverwaltung feststellt. Der Architektenwettbewerb sei »die Sache des Investors und der Stadt, die kräftig mitmischen werde«. Nicht so optimistisch ob der Einhaltung des städtebaulichen Wettbewerbsergebnisses gibt sich dagegen Wolfgang Süchting, Referatsleiter aus dem Hause Hassemer. Der Entwurf lasse auch nach der Überarbeitung, so Süchting, »einen großen Interpretationsspielraum zu«. Daimler werde nichts unversucht lassen, ihn zu seinen Gunsten auszulegen. Es sei daher gut, daß Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer mit im Preisgericht sitze, um ein Auge auf die Vorgaben zu haben. Rolf R. Lautenschläger