Alfred Gomolka einsam im Ostseesturm

Regierungskrise in Mecklenburg: Ministerpräsident von fast allen Parteifreunden verlassen/ Kohl will Justizminister Born halten, Gomolka will ihn rauswerfen/ Entscheidung am Wochenende?  ■ Von T. Bruns und B. Markmeyer

Bonn/Berlin (taz) — Für den „kleinen Kohl in Schwerin“, den mecklenburgischen Ministerpräsidenten Alfred Gomolka (CDU) sieht es nicht gut aus. Der letzte Ossi unter den christdemokratischen Regierungschefs in den neuen Ländern ist aus dem ersten, offen ausgetragenen Machtkampf innerhalb seiner Partei nicht als Sieger hervorgegangen. Ob seine Partei noch hinter ihm stehe, bekundete Gomolka nach der turbulenten Nachtsitzung seiner Fraktion in Schwerin niedergeschlagen, wisse er nicht. Gomolkas GegnerInnen in der mecklenburgischen CDU werden inzwischen auf zwei Drittel geschätzt. An Rücktritt denke Gomolka jedoch nicht, erklärte seine Sprecherin. Die CDU-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern wird heute abend erneut zusammentreten.

Aufschluß über mögliche personelle Konsequenzen brachte auch das Treffen von Gomolka mit dem Kanzler in Bonn nicht. Während Gomolka gegenüber der Presse vollständig zugeknöpft blieb, rang sich Verkehrsminister Günther Krause wenige Sätze ab. Die Entscheidung läge bei der Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern, wie sie ausgehe, sei völlig offen. „Warum nicht?“ und „Ja, aber natürlich“ antwortete Krause auf Fragen nach einer möglichen weiteren Zusammenarbeit mit Gomolka. Krause, wie Frauenministerin Angela Merkel Teilnehmer der kleinen Runde im Kanzleramt, hatte Gomolka in seiner Eigenschaft als CDU-Landesvorsitzender das Leben nicht eben leichter gemacht. Im Amt beerben will er ihn jedoch nicht, nach Agenturmeldungen könnte der Landesinnenminister Diederich dafür in Frage kommen.

Die mecklenburgische SPD will den Machtkampf bei den Christdemokraten zu einem Mißtrauensvotum gegen Gomolka nutzen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Harald Ringstorff sagte gestern, er wolle als Gegenkandidat antreten, wenn der Landesvorstand seiner Partei ein solches Verfahren absegne. Da sich die CDU nur noch mit sich selbst beschäftige, sei sie „zur Lösung von Sachfragen nicht mehr in der Lage“.

In der Nacht zum Freitag waren hinter verschlossenen Türen bei der CDU die Fetzen geflogen. Gomolka wollte seinen Justizminister Ulrich Born (CDU) entlassen. Born hatte sich am vergangenen Wochenende mit Blick auf die Werftenkrise unhöflicherweise verlauten lassen: „Der Landesvater muß geweckt werden.“ Der einzige Wessi in der mecklenburgischen Regierung, der aus dem Bundespresseamt kommt und Berater der CDU-Volkskammerfraktion war, gehört zu Gomolkas schärfsten Kritikern. Gestern trat er in offenem Gegensatz zu Gomolka erneut für die „große Verbundlösung“ bei der Werftenprivatisierung ein. Freitagfrüh um zwei Uhr hatten die Widersacher Born und Gomolka den CDU-Sitzungsraum durch verschiedene Ausgänge verlassen, und Alfred Gomolka mußte erkären, sein Justizminister bleibe im Amt. Gestern wiederholte Gomolka seine Forderung nach dem Abtritt Borns. Kanzler Kohl soll dagegen darauf gedrungen haben, den Wessi im Amt zu belassen.

Die Regierungskrise hatte sich an der Werftenkrise entzündet. Gomolka vertritt nach mehreren Drehungen die FDP-Linie für Einzelprivatisierungen der Werftenstandorte. Seine Fraktion plädiert dagegen weiterhin für die „große Verbundlösung“, obwohl sie im Landtag — unter dem Druck, die Koalition mit der FDP nicht zu gefährden — dem Treuhandkompromiß zugestimmt hatte, nach der die mecklenburgischen Werften an zwei verschiedene Investoren verkauft werden sollen.

Gomolkas möglicher Nachfolger, Innenminister Georg Diederich (CDU), hatte sich während der Wende einen Namen gemacht. Er scheiterte 1990 überraschend als Kandidat für das Präsidentenamt gegen den damals noch recht unbekannten Gomolka. Den Rücktritt der Regierung, Neuwahlen und einen Volksentscheid über die Zukunft der Werften fordern auch die WerftarbeiterInnen. Heute blockieren die SchiffebauerInnen den Autoverkehr von Schwerin nach Rostock.

In einer Aktuellen Stunde des Bundestags zur Privatisierung der Werften am Freitag in Bonn verteidigte Wirtschaft- und Ankündigungssminister Möllemann die Treuhandentscheidung. Alle Parteien sind aber unzufrieden mit dem Kompromiß in der Werftenkrise. SPD, CDU und Bündnis 90 bevorzugen mehr oder weniger deutlich die „große Verbundlösung“.