Südafrika: „Inkathagate“ vor Gericht

Wegen Anti-ANC-Aktionen kommen in Südafrika jetzt Polizisten ins Gefängnis/ Massenmorde und Kungelei zwischen Sicherheitsapparat und der Zulu-Organisation Inkatha im Visier der Justiz  ■ Aus Johannesburg Tim Murphy

Die Szene im Supreme Court der südafrikanischen Stadt Pietermaritzburg war beinahe ergreifend: Polizisten schluchzten, Angehörige griffen tröstend ein. Grund der Beamten- Trauer: Sie waren wegen Entführung und Ermordung eines ANC- Aktivisten soeben zu Gefängnisstrafen zwischen zwei und acht Jahren verurteilt worden.

Die Beamten, so das Urteil, hatten den ANC-Anhänger Mbongeni Jama in ihren Wagen geladen und auf dem Weg zu einem Alkoholladen attackiert und gewürgt. Sodann beschlossen sie, ihr Opfer an einer Anzeige zu hindern. Sie fuhren auf eine Plantage, erwürgten ihn und schossen ihm zusätzlich ins Gesicht.

„Ich höre, es gibt etwa 250 Generäle in der südafrikanischen Polizei“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. „Ich denke, es ist an der Zeit, daß sie ihre Medaillen in die Schublade tun, sich der Polizeiarbeit widmen und ordentliche Aufsicht üben.“

Der Urteilsspruch am letzten Freitag abend beendete eine Woche, die von Enthüllungen über obskure Aktivitäten von Polizei, Militär und Inkatha nur so strotzte. Tags zuvor hatte in einem anderen Verfahren in Pietermaritzburg, das als „Trust Feed Trial“ bereits internationale Berühmtheit erlangt hat, ein Polizei- Captain Brian Mitchell verkündet, er sei im Gefängnis zum Christ geworden und beabsichtige nunmehr, Priester zu werden. Mitchell ist zusammen mit zwei anderen Polizisten und vier Polizeigehilfen angeklagt, elf Morde und acht Mordversuche verübt zu haben — das gruselige Resultat eines Massakers in der Nacht zum 3. Dezember 1988 in Trust Feed.

Der konvertierte Mitchell sagte aus, daß der Massenmord gemeinsam vom Chef der polizeilichen Aufstandseinheit (Riot Unit), Deon Terreblanche, und einem berüchtigten Inkatha-Warlord namens David Ntombela geplant worden sei. Beide hätten den Inkatha-Chef von Trust Feed instruiert, das Massaker mit Hilfe von Hilfspolizisten auszuführen. Die Ermordeten waren Anhänger der ANC-nahen United Democratic Front (UDF). Ein Konstabler und Freund von Terreblanche habe einige Tage vor dem Massaker sechs Hilfspolizisten nach Trust Feed gebracht, die, wie er Mitchell erklärte, UDF-Aktivisten besonders haßten. Stunden vor der Inkatha/Polizei-Attacke führte die Polizei eigens eine sogenannte „Verbrechensverhinderungsoperation“ in dem Gebiet durch, bei der alle UDF-Anhänger zwischen 16 und 35 Jahren verhaftet und auf einen Sportplatz gebracht wurden. Dies sei geschehen, um für den bevorstehenden Angriff leichte Ziele zu präsentieren.

Bislang hatten die Angeklagten im „Trust Feed Trial“ jede Schuld abgestritten. Polizist Mitchell begründete seinen Sinneswandel damit, daß sein Wandel zum Christ erfordere, nun die Wahrheit zu sagen. Er sei damals nach eigenem Empfinden als Soldat in einem Bürgerkrieg gewesen, wo die „Comrades“ die Staatsfeinde gewesen seien. „Ich sah mich auf der Seite der Regierung. Ich sympathisierte mit Inkatha. Sie machten die Gebiete nie unregierbar und waren auf seiten der Regierung.“

In Pretoria sagte letzte Woche vor der Goldstone-Kommission unterdessen Zeugen über die Zusammenarbeit von südafrikanischer Armee (SADF) und Inkatha aus. M.Z. Khumalo, bis zum „Inkathagate-Skandal“ über Geheimzahlungen der Regierung an Inkatha im Juli 1991 persönlicher Assistent von Inkatha- Chef Mangosuthu Buthelezi, berichtete der Kommission, daß die SADF viele Millionen in die Ausbildung von Inkatha-Leuten gesteckt habe. Die Kommission soll unter anderem Einzelheiten über die Ausbildung von 200 Inkatha-Kriegern in einem Camp der SADF in Nordostnamibia 1986 ermitteln. Laut M.Z. Khumalo, zuständig für diesen Trupp, hat die SADF nicht nur dessen sechsmonatiges Training finanziert, sondern den Jugendlichen sodann auch drei Jahre lang Gehalt und obendrein eine „Überbrückungsfinanzierung“ gezahlt. Inkatha, so Khumalo, habe bis 1987 nicht gewußt, daß die Armee hinter jenen Firmen steckte, die das Ausbildungsprogramm so großzügig förderten.

Nach Angaben von Inkatha wurden alle 200 lediglich als „Bodyguards“ für die Inkatha-Prominenz ausgebildet und nach einiger Zeit in die Polizei des Buthelezi-Homelands KwaZulu übernommen. Andere Zeugen jedoch sagen, daß die Gruppe ausgebildet wurde, um als Todes- und Terrorkommandos der Inkatha zu fungieren.

Vor der Goldstone-Kommission räumte ein Brigadier der KwaZulu- Polizei letzte Woche ein, daß 78 der von der Armee ausgebildeten Jugendlichen verschiedenen regionalen Inkatha-Büros und der Inkatha- Zentrale zugeteilt worden seien, einige davon als „persönliche Gehilfen“ Buthelezis. Andere hätten zwischenzeitlich bei der südafrikanischen Polizei gearbeitet oder in Camps in KwaZulu weitere Ausbildung erhalten. Die Vernehmung der Zeugen offenbarte außerdem, daß KwaZulu-Polizisten außerhalb der Homeland-Grenzen operieren und daß Buthelezis Parlament in der „Hauptstadt“ Ulundi ein eigenes kleines Waffenreservoir hat.