Versteinerter Rohwedder

■ Reichsluftfahrtministerium, Haus der (DDR-)Ministerien, Detlev-Rohwedder-Haus

Berlin (taz) — Ob sich Detlev Rohwedder gestern im Grabe gedreht hat, bleibt sein Geheimnis. Sein Sohn Philipp aber, mit den weichen, noch kindlichen Gesichtszügen, stand zur gleichen Stunde, zu der die Rotation unter der Erde vermutet werden muß, unbeweglich hinter seinem Bundeskanzler, als der dem ehemaligen Reichsluftfahrministerium den Namen seines Vaters verlieh. Nur einmal lächelte er leicht, als Helmut Kohl ihn bat, „Ihre Mama herzlich zu grüßen“.

Am 1. April 1991, einen Monat vor seinem geplanten dienstlichen Umzug vom Berliner Alexanderplatz in den früheren Dienstsitz Hermann Görings war der damals 58jährige Präsident der Berliner Treuhandanstalt, vermutlich von der RAF, ermordet worden. Der Akt gestern war als Anerkennung der Verdienste Rohwedders als „Patriot“ und „Diener unseres Staates“ (Kohl) gedacht.

Damit hat der Bundeskanzler also die unselige Idee wahrgemacht, den einschlägig unbelasteten Namen des SPD-Mannes Rohwedder in ein Gebäude einzumeißeln, das 1938 zum Beispiel Schauplatz einer großen Konferenz zur sogenannten „Judenfrage“ war (siehe auch taz vom 13. Januar). Und solange er steht, wird der monumentale Quaderbau an der Leipziger Straße in seiner faschistischen Architektur wenigstens von außen an seine düstere Geschichte erinnern.

Daß Wilhelm Pieck seine DDR am 7. Oktober 1949 ausgerechnet hier proklamierte, ist schon reichlich makaber, und daß nun die Treuhandanstalt in diesen Räumen ihrer Aufgabe nachgeht, die volkseigentümlichen Reste der DDR aufzulösen, mag der Knappheit an Büroraum in Berlin geschuldet sein. Daß aber Bundeskanzler Helmut Kohl mal kurz einfliegt, um auf den breiten Treppenstufen im Foyer des früheren Göring-Sitzes den Namen eines Toten zu mißbrauchen, hätte wenigstens von der Rohwedder- Nachfolgerin Birgit Breuel verhindert werden müssen, die sonst nicht oft genug versichern kann, wie sehr sie ihrem Vorgänger verpflichtet sei. Barbara Geier