Wer war Gerd Albartus?

■ Biographische Anmerkungen zu einem deutschen Militanten

Leute, die es wissen müssen, erzählen, er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der „Revolutionären Zellen“. „RZ“, das ist diejenige deutsche Stadtguerillagruppe, die sich mit wenigen Ausnahmen auf Sachbeschädigung beschränkte und in den Fahndungscomputern fast nur ein Vakuum hinterließ. Im Polizeijargon heißt sie Freizeitguerilla, weil ihre Mitglieder in der Legalität leben nur gelegentlich zur „Revolutionären Tat“ schreiten und nicht nach der traurigen Berühmtheit verschiedener RAF-Größen streben. Größere Aufmerksamkeit erhielt die Gruppe zuletzt 1987, als im Rahmen einer Großfahndung mehrere Leute verhaftet wurden, denen entweder Mitgliedschaft in den „RZ“ oder dem feministischen Pendant „Rote Zora“ unterstellt wurde. Kurz vor dieser Großfahndung, in deren Verlauf auch Ingrid Strobl verhaftet wurde, verließ Gerd Albartus nach Angaben seiner Genossen die BRD und fuhr in den Nahen Osten. Dort soll er im Dezember 1987 von einer Gruppe des palästinensichen Widerstands im Rahmen eines Tribunals zum Tode verurteilt und ermordet worden sein. Als angeblicher Verräter — aber genaueres wissen auch seine Freunde nicht.

Gerd Albartus war Anfang 1977 verhaftet worden, weil er einen Brandanschlag auf eine Kino in Krefeld verübt hatte. Der Grund: In dem Kino lief ein Film über die israelische Kommandoaktion im ugandischen Entebbe, wohin ein palästinensisch-deutsches Kommando ein Flugzeug entführt, alle jüdischen Passagiere ausgesondert hatte und als Geiseln festhielt, um Gefangene in Israel und der BRD freizupressen. Die beiden Deutschen gehörten zur „RZ“, die sich nun erstmals öffentlich mit Entebbe und die Folgen für die „internationale Zusammenarbeit“ der Metropolenguerilla auseinandersetzt. Albartus wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt und saß bis Ende 1981 im Gefängnis. In den folgenden Jahren jobbte er als freier Journalist, unter anderem für die taz und den WDR, engagierte sich in der Knastarbeit — als Mitarbeiter der Grünen im Europarlament auch europaweit — und galt als zuvorkommender, undogmatisch argumentierender Zeitgenosse. Als er im Winter 1977 nicht nach Deutschland zurückkehrte, vermuteten seine Freunde, er sei, wie einige andere aus dem „RZ“-Zusammenhang auch, aus Angst vor einer Verhaftung im Nahen Osten geblieben. Daß er dort von seinen vermeintlichen Genossen ermordet wurde, hat nun seine Freunde hier zu einer Abrechung mit ihrer eigenen Geschichte veranlaßt.

Die taz kann nicht mit letzter Sicherheit garantieren, daß der im folgenden dokumentierte Brief der „RZ“ wirklich authentisch ist. Wenn ja, gehört er zu den bemerkenswertesten Texten, die in den letzten Jahren von deutschen Militanten verfaßt worden ist. taz