„Da können wir als Zeitung nicht helfen“

■ Tina Krone, Redakteurin der Bürgerrechtszeitung 'Die Andere‘, zur Enttarnung von Knud Wollenberger als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi: „Es sind immer auch Unschuldige betroffen“

„So kann Aufarbeitung nicht funktionieren“, wirft Vera Wollenberger (Bündnis 90/Grüne) der Wochenzeitung 'Die Andere‘ vor. Das Blatt hatte ihren Mann Knud Wollenberger, früher in der Ostberliner Friedensbewegung aktiv, als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit enttarnt. In einem „Löschauftrag“ für Unterlagen über Inoffizielle Mitarbeiter vom Dezember 1989 wird er neben 19 anderen als „IM“ aufgeführt. Vera Wollenberger wendet sich gegen „die Art, wie sein Fall öffentlich exponiert wurde, ohne mir Gelegenheit zu geben, zur Wahrheitsfindung beizutragen“.

taz: Wie hat eure Redaktion reagiert, als sie erfuhr, daß Wollenberger der Stasispitzel „Donald“ war?

Tina Krone: Wir waren fürchterlich erschrocken. Aber es gab keine große Kontroverse darüber, daß wir es veröffentlichen wollten. Es war aber klar, daß wir ihn vorher in Kenntnis setzen und eine Stellungnahme von ihm fordern wollten.

Habt ihr mit Wollenberger geredet?

Klaus Wolfram, der Herausgeber 'Der Anderen‘ hat ihn angerufen, und ihn um eine Stellungnahme gebeten. Das hat er abgelehnt. Wolfram hat ihm klargemacht, daß wir den „Löschbefehl“ trotzdem veröffentlichen würden. Da ist Wollenberger wütend geworden und hat aufgelegt.

Vera Wollenberger wirft euch vor, daß sie keine Gelegenheit hatte, ihren Mann vorher zum Reden zu bringen.

Schon seit einem halben Jahr gab es Gerüchte, daß Knud Wollenberger ein Spitzel war. Seine Frau hatte drei oder vier Wochen vor der Veröffentlichung von diesem Verdacht erfahren. Daraufhin hat sie ja mit ihrem Mann geredet. Aber er hat alles abgestritten, sogar bei seinen Kindern geschworen.

Aber zu dem Zeitpunkt hatte Vera Wollenberger selbst noch keine Beweise.

Wenn man bei so einer Sache zwischen Eheleuten Beweise braucht, hätten wir als Zeitung auch nicht weiterhelfen können. Ich gehe davon aus, daß er es ihr gegenüber nicht zugegeben hätte.

Aufarbeitung der Vergangenheit muß sein, sagt auch die Frau des Spitzels. Sie will nur nicht, daß Unschuldige, vor allem ihre Kinder darunter leiden.

Sie hat aus ihrer Warte recht. Aber es sind immer auch Unschuldige betroffen. Das ist ja gerade das Tragische. Wenn man verhindern wollte, daß sie leiden, müßte man über alles eine Decke legen. Auch wir, die wir von solchen Leuten bespitzelt wurden, haben Kinder. Und wenn sie uns denunziert hätten und wir in einem Internierungslager verschwunden wären, hätte sich auch niemand drum gekümmert.

Trotzdem bleibt der Vorwurf, ihr hättet diese Information als „Herrschaftswissen“ behandelt und die Angehörigen nicht informiert.

Mit dem Begriff „Herrschaftswissen“ kann ich in diesem Zusammenhang nichts anfangen. Aber ich will es ganz deutlich sagen: Wir haben an der Reaktion gemerkt, daß wir in der Art der Veröffentlichung einen Fehler gemacht haben. Meiner Meinung nach muß mit den Betroffenen gesprochen werden. Ich selbst hab' es bisher immer so gehandhabt, daß ich mit den Leuten, die als Stasi-Mitarbeiter beschuldigt wurden, geredet habe. Dreimal war ich in so einer Situation, unter anderem mit dem Berliner Pfarrer Gottfried Gartenschläger. Immer haben diese Gespräche mit einem Geständnis geendet, aber gleichzeitig mit den üblichen Entschuldigungen: daß niemandem Schaden zugefügt worden wäre, daß man kein Geld angenommen hätte etc. Ich hab immer verlangt, daß der Täter zu den Betroffenen geht und mit ihnen spricht. Dafür habe ich ihm eine Frist gesetzt. Wenn das nicht passiert ist, dann bin ich selbst zu den Opfern gegangen.

Die jetzige Diskussion scheint sich mehr mit den Stasi-Jägern als den Tätern zu beschäftigen.

Wir merken, daß Leute die aufdecken wollen, zu Denunzianten gestempelt werden. Jetzt macht man uns Vorwürfe und Knud Wollenberger wird nicht mehr befragt und von Schuld spricht niemand mehr. Es geht schließlich auch um die Wahrheit. Wir wollen auch wissen, was er gemacht hat. Dazu sagt er nichts. Er schickt seine Frau vor und gibt selbst eine völlig hahnebüchene Erklärung ab. Vera Wollenberger sagt: „Ich weiß nichts von Donald, aber Knud war ein hinreißender Vater.“ Damit hat sie es auf den Punkt gebracht. Gespräch: Bascha Mika