Kirche ratlos nach Roma-Besetzung

■ Kirchenbedienstete verließen aus Protest ihre Arbeitsplätze/ „Explosive“ Stimmung

Düsseldorf (taz) — Zum zweiten Mal lehnten etwa 300 Roma im Landeskirchenamt der evangelischen Kirche im Rheinland am Montag abend ab, sich mit Bussen in ihre Wohnungen oder Unterkünfte zurückbringen zu lassen. Die Roma, etwa die Hälfte sind Kinder, besetzten das Kirchenamt in Düsseldorf vor einer Woche und lagern seitdem im Foyer und auf den Gängen. Nachdem die Sprecher der 300 BesetzerInnen deutlich gemacht hatten, sie würden aus Angst vor Abschiebungen auch weiter im Kirchenamt bleiben, verließen die Kirchenangestellten am Montag nachmittag ihre Arbeitsplätze und erschienen nach einem Beschluß der Leitung auch am Dienstag nicht zur Arbeit. Erst heute soll der „normale“ Amtsbetrieb wieder aufgenommen werden.

Zuvor hatte das Kollegium des Landeskirchenamts beschlossen, den Roma die politische Unterstützung der evangelischen Kirche so lange zu entziehen, bis sie das Kirchenamt verlassen. Landeskirchenrat Jörn-Erik Gutheil — bis Mitte dieses Jahres Vermittler zwischen den Roma und der NRW-Landesregierung in den Auseinandersetzungen um ein Bleiberecht — nannte die Stimmung „explosiv“. Die Roma befürchteten am Montag abend eine Räumung. Einzelne drohten an, sich umzubringen. Die Kirche entscheidet von Tag zu Tag über ihr Vorgehen, von einer Räumung ist bisher nicht die Rede. Während die Situation in Düsseldorf schwieriger wird und KirchenvertreterInnen erklären, die Roma würden mit der Besetzung „ihrer Sache mehr schaden als nutzen“, schaltete sich aus Hamburg der Vorsitzende der Rom & Cinti Union (RCU), Rudko Kawczynski, ein. In einem Brief an den Präses der rheinländischen Kirchen, Peter Beier, spricht Kawczynski dem Kirchenoberen seinen „Respekt und tief empfundenen Dank“ aus, daß das Landeskirchenamt sich schützend vor bedrohte Roma-Familien stelle und ihnen Zuflucht gewähre. Das Amt, so Kawczynski in bewußter Verkennung der Düsseldorfer Situation zur taz, gehe den Gemeinden „mit gutem Beispiel voran“. Die Landeskirche müsse sich nun beweisen. Kirchenvertreter wie Landeskirchenrat Gutheil dagegen fühlen sich erpreßt, in ihrer Unterstützung für ein Bleiberecht blockiert und hilflos, da sie den Roma nicht die Zusagen machen können, die die NRW- Landesregierung ihnen verweigert hat. Aus der jüngsten Verzweiflungsaktion, so die Sicht der Deutschen, könnten die Roma, die mit ihrem Bettelmarsch vor zwei Jahren begannen ihre Stimme zu erheben und Rechte einzufordern, auch als politische Verlierer hervorgehen. Kawczynski hält dagegen, daß „die Roma von der Landesregierung beschissen worden sind“ und „keine Alternative haben. Wir sollen doch bloß unsere Koffer packen und abhauen.“ Zumindest müßten Abschiebungen und die sog. Reintegration im mazedonischen Skopje gestoppt werden, bis die Bleiberechtsverfahren der Roma, „die ein normales deutsches Antragsverfahren darstellen, das rechtlich einklagbar ist“, zu Ende gebracht seien. Bettina Markmeyer