In aller Langsamkeit zum Durchbruch

■ Ampel in Sachfragen weitgehend einig / Fünf Gymnasien, keine Müllverbrennung und Weservertiefung ja, aber

Sechs Wochen rangen die Beteiligten miteinander um Formulierungen, über 800 Einzelpunkte wurden beraten und gestern gab es dann „etwas ganz Besonderes“ (Bürgermeister Klaus Wedemeier). Die politischen Zeichen stehen in Bremen jetzt eindeutig auf Ampel, in allen wesentlichen Fragen wurden Kompromisse erzielt. Mit diesem Ergebnis stellten sich die Vertreter von SPD, Grünen und FDP gestern am späten nachmittag einigermaßen zufrieden der Presse. „Es ist gelungen, in einem gewaltigen politischen Spannungsfeld akzeptable, konsensfähige Kompromisse zu schließen“, meinte der FDP-Verhandlungsführer Claus Jäger während die Grüne Spitzendkandidatin Helga Trüpel etwas zurückhaltender von Ergebnissen sprach, „die noch mit Leben gefüllt werden müssen.“ Und Klaus Wedemeier gewann dem zeitraubenden Verhandlungspoker seine positive Seite ab: „Die Entdeckung der Langsamkeit ist auch hier von großer Bedeutung.“

Die Dauerbrenner Schule, Asyl, Weservertiefung und Müll hatten auch gestern die Verhandlungen bestimmt. Beschlossen wurde schließlich:

Schule: Neben dem Alten Gymnasium bleibt auch das Kippenberg Gymnasium. Die Hermann- Böse-Schule wird zum Gymnasium mit bilingualem Schwerpunkt. Zwei weitere Gymnasien sollen ab 1994 dazukommen. Eine Reformkommission soll das bremische Schulwesen unter die Lupe nehmen.

Asyl: Erstantragssteller sollen bis zu Umverteilung in „sozial betreuten Gemeinschaftsunterkünften in vertretbarer Größenordnung“ untergebracht werden. In der Regel soll es dort Gemeinschaftsunterkünfte geben. Auch Asylbewerber, deren Anträge kaum Aussicht auf Erfolg haben, werden bis zum Abschluß des Verfahrens in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Der rechtswidrige Senatsbeschluß, lediglich 300 Anträge auf Asyl pro Monat zuzulassen, wird aufgehoben, sobald der Koalitionsvertrag unterschrieben wird. Das Schiff im Allerhafen wird verkauft, sobald die Unterbringung der Flüchtlinge auf andere Art gesichert ist.

Weservertiefung: Beim Punkt Weservertiefung, bei dem die Wirtschaftsfundis der FDP und die Ökofundis der Grünen, munitioniert von den jeweiligen Lobbyisten, heftigst aneinandergeraten waren, wurde fünf Minuten vor der Pressekonferenz die passende Formulierung gefunden. Danach ist die Vertiefung „Ziel“ des künftigen Senats. Die Realisierung des Konzeptes hängt allerdings, wie von den Grünen gefordert, von den Ergebnissen der Umweltverträglichkeitsprüfung ab, die im Senat politisch bewertet werden müssen.

Müll: Es ist das politische Ziel des Senats, die Müllverbrennungsanlage 1997 zu schließen. Dazu soll aber noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden, ob die vereinbarten Wiederverwertungsanstrengungen auch greifen.

Zufrieden sind die Beteigten besonders mit den erreichten Kompromissen in Sachen Verkehr. Die Grünen sind ihrem Ziel einer autofreien Innenstadt ein ganzes Stück näher gekommen, für neue Straßen zu den Industriezentren beim Neustädter Hafen in Hemelingen gibt es neue, kleiner dimensionierte Pläne. Der Vorrang für Bahn und Bus wird von der Ampel gewollt.

Auch in der Flächenpolitik sollen neue Wege geganen werden. Die Grünen erreichten, daß über das Konzept „Wohnen im Hafen“ neu nachgedacht wird. Eine endgültige Entscheidung über das Gewerbegebiet Hemelingen Marsch soll erst dann getroffen werden, wenn vorbereitende Untersuchungen vorliegen.

Das Personalvertretungsgesetz soll novelliert werden, um Beamte leichter von einer Dienststelle zur anderen versetzen zu können.

Schon heute will die Verhandlungskommision überlegen, wie die vereinbarte Politik zu finanzieren ist. Dabei wird sich auch zeigen, ob die verbesserte Förderung für Projekte im Sozial-, Frauen-und Gesundheitsbereich und mehr Geld für die Kultur Priorität erhält. Bürgermeister Wedemeier war gestern optimitisch: „Wer soweit gekommen ist, läßt sich nicht mehr abhalten.“

SPD, Grüne und FDP wollen ihre Parteitag am 7. Dezember über den erzielten Kompromiß entscheiden lassen. Am 11. Dezember soll der neue Senat gewählt werden. hbk