„Der Filz-Vorwurf ist populistisch“

■ Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Schramm über Bremerhavener Pläne

Auch in Bremerhaven wollen SPD, Grüne und FDP eine Zusammenarbeit vereinbaren. Für den Posten eines Dezernenten für Stadtentwicklung und Umweltschutz interessiert sich der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Schramm.

Was wollen die Grünen in Bremerhaven erreichen?

Manfred Schramm: Für uns stehen die Fragen der Demokratie und der politischen Rechte an zentraler Stelle. 30 Jahre Alleinherschaft haben zu einer Verkrustung geführt die dringend korrekturbedürftig ist.

Was heißt das konkret?

Besonders sichtbar ist das in den Verfilzungsstrukturen. Besonders sichtbar ist das darin, daß die Bürger sich nicht an politischen Prozeßen beteiligen konnten.

Wie wollen die Grünen das ändern?

Wir wollen das Hare-Niemeyer-Zählsystem einführen, das die kleineren Parteien etwas bevorzugt. Wir wollen ein Beirätegesetz für Bremerhaven einführen. Und wir wollen zu Fachfragen Einzelbeiräte etablieren.

Durch die Magistratsverfassung wird die Stadtregierung Bremerhavens weit über eine Legislaturperiode festgelegt. Die Dezernenten werden für 12 Jahre gewählt. Was soll da passieren, um strukturell etwas zu ändern und Personen auszutauschen?

Man muß diese Frage politisch diskutieren, und da wird es wahrscheinlich Differenzen geben. Wir wollen den Magistrat nicht mehr als reines Verwaltungsorgan betrachten. Eine Stadtregierung muß auch ein politisches Mandat haben. Das hat natürlich zur Folge, daß sich die Bedingungen, die an ein solches Mandat geknüpft werden, auch verändern. Das betrifft die Länge der Amtsperiode, das betrifft die Aufgaben eines Dezernenten und das betrifft auch die zukünftige Besoldungsfrage.

Auf die Idee, die Amtszeiten auf sechs Jahre zu verkürzen ist auch schon Werner Lenz gekommen. Selbst der konnte das nicht durchsetzen. Wie wollen die Grünen das denn spürbar für diese Legislaturperiode ändern?

Wir haben das mit den Sozialdemokraten angesprochen, und wir haben Konsens darin, daß wir sagen: Das muß in Richtung des politischen Mandats gehen, und wir müssen uns über Amtszeit-Verkürzung unterhalten. Wie das dann im einzelnen aussieht, ob vier oder sechs Jahre, das muß eine juristische Prüfung zeigen.

Aber wie ist das hinzukriegen, daß diejenigen, die bis 95, 96, 97 gewählt sind, vorzeitig ihre Sessel im Magistrat räumen. Die sind ja auch durch das Beamtenrecht geschützt.

Wir brauchen Lösungen, die menschlich und rechtlich akzeptabel sind. Diese Lösungen wird man wahrscheinlich nur im Konsens mit den Betroffenen finden.

Die Grünen in Bremerhaven haben immer gefordert, daß Dezernatsstellen öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Wieso bis Du jetzt auf die Idee gekommen zu sagen: Ich möchte Umweltschutz und Stadtenwicklung machen, und eine Ausschreibung muß nicht sein.

Ich habe mich im Wahlkampf gegen den SPD-Filz vehement dafür eingesetzt, daß die Stelle für Schule und Kultur öffentlich ausgeschrieben wird.

Die war da schon ausgeschrieben.

Ich denke, daß ist auch auf Druck der Grünen im Vorwahlkampf öffentlich ausggeschrieben worden. Diese Stelle muß nach wie vor ausgeschrieben werden. Sie ist nach den alten Bedingungen zu besetzen, nach der alten Magistratsverfassung. Das war allerdings vor der Wahl. Nach der Wahl sind die Grünen in der Lage, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Und das ist völlig unabhängig von dem Ressort Schule und Kultur.

Du kannst aber doch nicht sagen, Posten die von der SPD zu besetzen sind, müssen öffentlich ausgeschrieben werden, Posten, der Grünen aber nicht.

Das Wahlergebnis sagt ja, daß wir den Zugriff auf ein Mandat bekommen können, wenn wir darauf bestehen. Und das tun wir. So. Und dieses Mandat wollen wir mit der Magistratsreform verknüpfen. Die Differenz mit der SPD liegt darin, wieweit die Reform gehen soll. Wenn das so bleibt wie bisher, dann muß diese Stelle ausgeschrieben und nach Sachkompetenz besetzt werden. Wenn ich mich bewerben würde, wäre das unabdingsbar mit der Forderung nach einer Politisierung der Magistratsverfassung verbunden. Entweder es bleibt wie es ist, der Magistrat als Verwaltung und damit Ableger der politischen Führung in Bremen, oder der Magistrat kann selbstständig politisch handeln. Dann ist das ein politisches Mandat und muß dann mit Leuten ausgestattet werden, die die Qualifikation für ein solches politisches Mandat haben. Da kann auch bundesweit gesucht werden.

Gibt es denn konkretere Vorstellungen, wie eine Magistratsverfassung aussehen soll, die eine solche Politisierung zuläßt?

Ich denke, es muß ein Bewerber sein, der sich kompetent fühlt, politische Leitungsfunktonen zu übernehmen.

Ich meinte nicht die Frage der Bewerber. Daß der politisch kompetent sein muß, habe ich unterstellt. Es war eine Frage nach der Struktur. Wie soll das gehen: Den Magistrat politisieren?

Wie das im Einzelnen aussieht, das müssen wir der Arbeitsgruppe überlassen. Ich stelle mir das so vor, daß es ähnlich strukturiert wird, wie der Senat in Bremen. Daß es eine politische Führung gibt und eine entsprechende Administration mit einem Staatssekretär. Wie das nun genau umgesetzt wird, dazu gibt es noch kein ausgefeiltes Konzept.

Wie kann man denn sagen: Das muß eine Arbeitsgruppe austüffteln, aber wir wissen schon: 1. Eine Ausschreibung könnte entbehrlich sein, und zweitens: Derjenige, der auf eine Ausschreibung verzichten will, ist selbst Kandidat. Das hört sich nach Verlängerung des Filzes an.

Ich finde es populistisch, den Filz-Vorwurf auf die Grünen zu übertragen. Das wird nicht deshalb richtig, weil derjenige, der die Position vertritt, selbst Ambitionen hat. Wenn ich nicht Kandidat wäre, dann würde ich die gleiche Position vertreten.

Erst die Personalfrage, dann die Sachauseinandersetzung. Ist das der richtige Weg?

Es ist sehr problematisch. Aber ich habe mich nur geäußert, weil die taz mich direkt gefragt hat, ob ich für dieses Amt zur Verfügung stehe. Und ich bin nicht derjenige, der das ableugnet. Ich stehe zu dieser Kandidatur. Aber ich denke auch, daß das sehr verfrüht war.

Gilt Dein Interesse auch für den Fall, daß bei der Magistratsverfassung alles beim alten bleibt?

An einer Dezernentenstelle in der alten Form habe ich kein Interesse. Fragen: hbk