Technokrat mit Moral

■ Die Bonner SPD-Fraktion hat sich mit Klose für eine offene politische Zukunft entschieden

Technokrat mit Moral Die Bonner SPD-Fraktion hat sich mit Klose für eine offene politische Zukunft entschieden

Hans Ulrich Klose ist als neuer Vorsitzender der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gewählt. Herta Däubler-Gmelin unterlag in der zweiten Abstimmungsrunde mit 110 zu 125 Stimmen. Damit entschieden sich die Bonner Sozialdemokraten explizit gegen eine Frau an ihrer Fraktionsspitze. Sie votierten aber für einen Mann, auf den im Sinne des eingefahrenen und unendlich phantasielosen Flügelproporzes der Partei kein Verlaß ist: Klose steht nicht für eine bestimmte Politik, er steht für eine offene politische Diskussion, für die bewußte Abweichung von der Beschlußlage, für die gezielte Provokation sozialdemokratischer Gedankenarmut. Unvergessen sein gezielter Ausrutscher während des Golfkrieges, als er sich gegen die friedensbewegte Mehrheitsströmung und für die präventive Abrüstung des Saddam-Regimes aussprach. Und in diesem Sinn war Klose bereits Ende der siebziger Jahre von der Mehrheitslinie abgewichen, als er gegen die Übermacht des sozialdemokratischen Gewerkschaftsflügels, der Kanalarbeiter und gegen den übermächtigen Bundeskanzler Helmut Schmidt den Ausstieg aus der damals regierungsamtlichen Atompolitik einläutete. Als Erster Hamburger Bürgermeister versuchte er damals den Ausstieg der Hamburger Elektrizitätsgesellschaft aus dem Brockdorf-Projekt durchzusetzen — Klose scheiterte und nahm konsequenterweise seinen Hut. Dennoch knüpft dieser Politiker auch an die Tradition eines Helmut Schmidt an. Er steht für eien entideologisierte Tagespolitik, für die realpolitischen Alternativen zur Regierungspolitik. Klose verbeißt sich nicht in einer eher aussichtlosen Verfassungsdebatte oder in einer grundsätzlichen und deshalb unglaubwürdigen Regierungsschelte. Sein Metier — auch als Schatzmeister der SPD — sind Machbarkeit und Durchsetzbarkeit. Kurz: Er ist ein Technokrat mit moralischen Grundsätzen.

Nicht nur in diesem Sinne traf die Fraktion mit ihrer Wahl die beste der möglichen Wahlentscheidungen. Überraschend deutlich wurde der Kandidat des traditionalistischen Gewerkschaftsflügel — Rudolf Dreßler — abgeschlagen. Er erhielt nur 46 Stimmen. Dennoch war es genau dieser Flügel, der für Klose schließlich die Mehrheit brachte. Das geschah nicht aus besonderer Sympathie, sondern einfach deshalb, weil sich diese Gewerkschaftsriege einfach nicht vorstellen kann, daß eine Frau die Führung der Fraktion übernimmt. Zu Kloses ersten Aufgaben wird es daher auch gehören, den entscheiden Teil seiner Wählerschaft mit Hilfe der Frauen-Quote weiter zu entmachten. Götz Aly