Nicht gekommen, um sich mit Skins zu schlagen

■ Mancher Flüchtling stellt lieber noch einen Asylantrag anderswo in Westeuropa, als sich nach Ostdeutschland verteilen zu lassen

Spandau. Mit Widersprüchen und Klagen versuchen die Flüchtlinge im Asylbewerberheim in der Spandauer Streitstraße, doch in Westdeutschland oder Berlin zu bleiben. Gottfried Lüttmann, Pfleger in dem Heim, meint, daß die Entscheidung der Verteilung fast nie zurückgenommen wird.

Trotzdem bevorzugten viele, ihr Glück mit einem neuen Asylantrag anderswo in Westdeutschland zu versuchen. Einige wenige kehren sogar zurück in ihre Herkunftsländer — um nicht nach Ostdeutschland zu müssen. So groß ist ihre Furcht.

Cornel Condor, 21, aus Siebenbürgen/Rumänien, ist schon seit Monaten in Berlin. Im Juli hatte er gegen die Entscheidung geklagt, ihn nach Eisenhüttenstadt zu verlegen. Condor befürchtet dort Angriffe von Neonazis und beschreibt Berlin als »eine andere Welt« im Vergleich zu Eisenhüttenstadt. Er könne einfach nicht akzeptieren, abgelehnt zu werden. Er sei sogar bereit, einen Antrag irgendwo anders in Westeuropa zu stellen.

Auch die 22jährige F. aus Belgrad will mit ihrer vierjährigen Tochter J. in Berlin bleiben, zusammen mit Bruder und Schwester. Peter Jonita, 30, aus Bukarest, wartet seit August auf ein endgültiges Urteil. Er will nicht nach Thüringen wegen der »großen Ausländerfeindlichkeit«. Er hat keine Angst um sich, sondern um seine schwangere Frau und seine zwei kleinen Kinder. »Die andere Seite ist besser«, weiß er. Gemeint ist Westdeutschland.

Ljubita ist erst 18 und im Oktober mit ihren Eltern, ihrer Schwester und ihrem Kind aus Jugoslawien nach Berlin gekommen. Die beiden Ehemänner sind seit Monaten beim Militär. Da Verwandte hier in Berlin wohnen, wollen beide auch hier bleiben. Sie denken nicht weiter als bis zum 12. Dezember. Dann sollen sie die Antwort auf ihren Asylantrag erhalten.

Angst vor Ostdeutschland haben manche auch wegen der höheren Arbeitslosigkeit dort. So sagt Trajan Petrschi (42), Automechaniker aus Siebenbürgen, über seine Absicht im Westen zu bleiben: »Wenn das nicht gelingt, werden wir es anderswo in Westeuropa versuchen.« Weil inzwischen viele aus Ostdeutschland zurückgekommen sind, haben sich die schlechten Bedingungen im Osten unter den Flüchtlingen herumgesprochen. »Ich bin nicht hergekommen, um mich in Schlägereien einzumischen«, sagt Niculai Niculai (39) aus Bukarest. »Ich will daher in Berlin bleiben.«

Obwohl die Zahl der Asylbewerber in der Streitstraße mit etwa 500 viel niedriger ist als im vorigen Jahr (etwa 1.100), bleiben die Menschen immer länger als die vorgesehenen drei bis vier Wochen, nach deren Ablauf sie weiterverteilt werden sollen.

Auch Polizeikommissar Ossig, der eine Gruppe auszubildender Polizisten bei einem Besuch im Asylbewerberheim begleitet, hat dafür Verständnis. Viele wollten wohl nicht nach Ostdeutschland, »weil die Polizei sie dort nicht gut schützen kann«. Polizeihauptkommandant Selowski fällt es nicht leicht, »Asylbewerber mit Gewalt nach Ostdeutschland zu verteilen.« Obermeister Spisla sagt, auch unbequeme Aufgaben müßten erfüllt werden: Verteilen von Asylbewerbern oder ihre Verteidigung vor Skin-Angriffen. Er glaubt jedoch, daß sich die Lage im Osten bald entspannen werde, auch für die Asylbewerber. Igal Avidan