Bleierne Wende-Zeit

■ Die Verfilmung von Fritjof Capras Essay „Wendezeit“

Literatur zu verfilmen ist bekanntlich schwer genug, aber wie verfilmt man einen Essay? Am besten überhaupt nicht, vor allem wenn es sich um einen großen, wichtigen Essay handelt — wie etwa das Buch Wendezeit des Physikers Fritjof Capra. Zusammen mit dem Tao der Physik stellt Wendezeit einen der folgenreichsten Essays der letzten 20 Jahre dar — Capras Bücher wurden zum populärwissenschaftlichen Markstein eines ganzheitlich-ökologischen Denkens, das mittlerweile bis in die Ortsgruppen der CSU durchgesickert ist. Abgesehen vom „Bio“-Schwindel im Supermarkt noch ohne wirkliche Folgen — aber schließlich geht es um die Umwälzung eines jahrhundertelang eingeprägten Weltbilds, und so etwas funktioniert auch mit Capra nicht im Instant-Verfahren.

Allein, irgendwie scheint es dem Professor mit der Wendezeit nicht schnell genug zu gehen, und so hat er seinem Bruder Bernt Capra vorgeschlagen, zu seinen Thesen einen Film zu machen. „Das Problem bestand darin“, so Bernt, der bis dato vor allem als Ausstatter (King Kong 1976, Out of Rosenheim 1987) arbeitete, „daß der Bestseller Fritjofs nicht unbedingt geeignet als Filmmaterial war.“ Doch dieser erste kluge Gedanke fruchtete nicht: „Ich kam darauf, den Film Mindwalk zu nennen (Spaziergang des Geistes, Originaltitel). Dazu kam mir der Gedanke an einen Film mit nur wenigen Bildern, einigen visuellen Metaphern und sehr viel Gespräch.“

Das Ergebnis sieht so aus: Bei der Besichtigung einer Kirche auf der französischen Insel Mont Saint Michel geraten die Atomphysikerin Sonia (Liv Ullmann), der amerikanische Politiker Jack (Sam Waterston) und der Dichter Thomas in ein Streitgespräch — und reden, reden, reden. Wahrscheinlich wird in keinem zeitgenössischen Film so viel Wahres über die Krise der Technik, der Wissenschaften, der Weltanschauungen und des Planeten gesagt wie in diesen 105 Minuten; und doch wird sich auch kein Film finden, in dem man angesichts der Ballung sämtlicher Weltübel die Ohren so schnell auf Durchzug stellt. Liv Ullmann predigt ohne Unterlaß auf die beiden Männer ein — daß sie dabei noch aussieht wie Jutta Ditfurth, gibt auch dem gutwilligsten Zuhörer den Rest. Fritjof Capra hätte es eigentlich wissen müssen: Das Tao, über das man sprechen kann, ist nicht das eigentliche Tao.

Wer die Zeit zum Lesen nicht hat, mag sich die papiernen Dialoge anhören. Ansonsten kann nur empfohlen werden, sich vom Eintrittsgeld gleich das Buch zu kaufen. Mathias Bröckers

Bernt Capra: Wendezeit . Mit Liv Ullmann, Sam Waterston. Musik: Philip Glass. USA 1991, 105 Min.