SHORT STORIES FROM AMERICA

■ Die T & A-Story: Darim wählen wir im Grunde republikanisch

Um ein gerechtes Bild von Amerikas Hauptparteien zu zeichnen, muß man sagen, daß die Republikaner für ausgezeichnete Unterhaltung sorgen. Betrachten Sie Watergate, die Iran- Contra-Affäre, den Sparkassencrash und den B.C.C.I.-Skandal (Bank of Credit and Commerce International), die komischen (und vom Fernsehen mitproduzierten) Heldengeschichten über die Grenada- und die Panama-Invasion, die auf fürchterliche Weise gescheiterten Berufungsverfahren von John Towers und Robert Bork (vom Fernsehen übertragen) und jetzt die Clarence-Thomas- und Anita-Story, kurz T&A genannt (T&A: Thomas & Anita oder Tits & Ass). Sie sind jedes für sich ein Geisteskind der Republikaner und ungefähr so unterhaltsam wie die königliche Familie. Die Kennedys, Gott schütze sie, geben ihr Bestes für ein demokratisches Drama, aber irgendwie gleiten ihre Bemühungen am öffentlichen Bewußtsein ab wie Wasser an einem Entengefieder oder einer Brücke in Massachusetts.

Die Republikaner greifen auf die alte römische Doktrin von Brot und Spielen zurück, was heute soviel heißt wie: Wenn du an dem einen Hofe in Schwierigkeiten bist, schmeiß eine Party an einem anderen. Die Person, der die T&A-Affäre am meisten gebracht hat, war Robert Gates, Bushs Kandidat für das Amt des CIA-Direktors. Vor T&A bezog er täglich im Kongreß und in der Presse Prügel, weil er beim CIA Tatsachen verdreht haben soll, dabei den Kongreß belogen und sein Fehlverhalten illegal vertuscht hat. Seit T&A ist er von den Titelseiten herunter, und die Öffentlichkeit hat bereits vergessen, wer er ist, nicht zu reden davon, was er getan hat. Er wird voraussichtlich berufen werden.

Das läßt mich vermuten, daß T&A nicht als ein Komplott gegen Thomas von weißen Liberalen oder schwarzen Diskriminierungsgegnern inszeniert worden ist, wie so manche Konservative behaupten. Es legt eher die Federführung durch den CIA nahe. Es ist ohnehin kaum vorstellbar, daß sich Liberale oder schwarze Diskriminierungsgegner so einen Plot ausdenken könnten, wo sie doch in derselben Woche, in der die T&A-Anhörungen stattfanden, nicht einmal genug Einfluß hatten, ein Verbot halbautomatischer Waffen und eine Bürgerrechtscharta nach Bushs Veto im letzten Jahr durchzusetzen.

Ich fühlte mich bestätigt in meiner CIA- These, als die 'New York Times‘, nicht gerade die Radikalste unter den Kommentarblättern, eine Notiz zustande brachte, die besagte, daß die T&A-Affäre „die öffentliche Aufmerksamkeit von den Anschuldigungen gegen Mr. Gates ablenkte“. Ich sollte noch betonen, daß die 'Times‘-Notiz irgendwo auf Seite 13 erschien, nachdem die Zeitung die Republikaner-Geschichte wochenlang auf den Titel genommen hatte, zugunsten von Gates.

Und was für eine Geschichte das war! Anders als in den oben erwähnten, die zu esoterisch waren, hatte die T&A-Affäre anzügliche Sprache, Geschlechtsorgane und sogar sexuellen Rassismus zu bieten (schwarze Männer haben große „Seepferdchen“, wie es Peggy Noonan, die Redenschreiberin von Präsident Reagan, diskret ausdrückte), und das alles mit einem Beigeschmack von finsterer Gewalt. Für die eher literarisch Besaiteten weist die T&A-Affäre Bezüge zur Psychoanalyse des 19. Jahrhunderts auf. Sicher war die Bemerkung von Senator Hatch, daß Hill sich den sexuellen Angriff infolge unerwiderter Leidenschaft für Thomas bloß ausgedacht habe, eine Anspielung auf die frühen Tage der Psychiatrie. Damals waren Frauen Hysterikerinnen, die von ihrem fortwährenden Verlangen nach dem Phallus getrieben wurden. Auf dieses Bild anzuspielen war gewiß eine historische Referenz von Senator Hatch, denn als ein Mann dieser Tage wäre Mr. Hatch der letzte, der Frauen in diesem Licht betrachtet.

Außer dem Sexthema hatte die T&A-Affäre etwas von Lynchjustiz, was in heutigen Unterhaltungssendungen kaum zu finden ist. Thomas ging hin und erzählte jedem Fernsehkanal, daß er aufgeknüpft werden sollte, weil er ein aufmüpfiger Schwarzer sei (was hieße, er säße in der eigenen Falle?). Es hätte die schöne Szene verdorben, wenn man erwähnt hätte, daß Thomas auf keinen Fall ein aufmüpfiger Schwarzer, sondern ein konservativer Schwarzer ist, weshalb er überhaupt nominiert wurde. Und niemand fand das der Erwähnung wert.

Schlußendlich gab die T&A-Affäre dem Kongreß, der Presse und der Nation, was sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gehabt haben: die Erlaubnis, „Schwanz“ zu sagen.

Darum wählen wir im Grunde republikanisch. Sie sind in Sachen Sex und Gewalt besser als die Demokraten, und wir bezahlen für ihre Vorführung Steuerdollar, die sich auf sehr viel mehr belaufen als das Budget der Nationalen Stiftung für die Künste (NEA). Das sollte den Fragen ein Ende machen, wohin die Friedensdividende geht. Das republikanische Expertentum in Sachen Sex und Gewalt widerspricht nicht ihren Bemühungen, besonders von Senator Jesse Helms, Sex aus der NEA-geförderten Kunst herauszuhalten. Kurz nach T&A stimmte der Kongreß mit zwei zu eins für Mr. Helms neueste NEA-Restriktionen. Nicht weil Helms oder andere Republikaner Sex generell nicht mögen, sondern weil sie nicht wollen, daß andere Darsteller sich aus dem Öffentlichkeitskuchen ein Stück herausschneiden.

Wie alle guten Seifenopern wird T&A den Amerikanern für Wochen genug Stoff zum Tratsch bieten. Hier mein Beitrag zum allgemeinen Trubel.

Die US-Presse behandelte das Thema, schon bevor der Senat soweit war, als eine Frage nach der Wahrheit: ob Clarence Thomas sexuell anzüglich und nötigend zu Anita Hill gesprochen hat oder nicht. Die Frage mißversteht die Grundzüge der Nötigung, die man mit dem Spruch „Wessen Schwein wird hier geschlachtet?“ am ehesten fassen könnte. Zwischen Männern und Frauen, die sich mögen und umgarnen, passiert viel Anzüglicheres als das, was Hill ausgesagt hat. Im Normalfall wird sich später niemand daran erinnern. Natürlich kann derselbe Annäherungsversuch von dem einen als harmloser Flirt und von dem anderen als absolute Grenzüberschreitung gesehen werden. Wenn Thomas seine Bemerkungen als gewöhnliche Anmache empfunden hat (und andere Frauen außer Hill mögen das genauso sehen), wird er sich nicht mehr daran erinnern, weil nicht er unter Druck gesetzt worden ist.

Im Streit um die sexuelle Belästigung sollte man nicht als Lösung nach irgendeiner magischen Sprache suchen, die Frauen nicht beleidigt. Ein heikles Unternehmen, das gutwillige Männer (und Frauen) nur dazu ermutigen würde, ihre Hände in die Luft zu werfen und, wenn nicht „Was wollen Frauen denn?“, dann „Was will diese Frau?“ zu fragen. Die Antwort ist viel einfacher: Schauen Sie sie an.

Woher wissen Frauen, was Männer wünschen? Indem sie nach Anhaltspunkten im Ton, im Ausdruck und in der Gestik genauso wie nach den offensichtlicheren Zeichen beim Sprechen und Handeln suchen. Dem Chor der Männer und Frauen, die meinen, Männer hätten nicht gelernt, solche Dinge wahrzunehmen, sage ich: Banane, betrachten Sie deren Umgang mit anderen Männern.

Männer nehmen einander ziemlich gut wahr, jede Nuance in puncto Wettbewerb, Revier, Kameraderie, Loyalitäten. Man erwartet es von ihnen, und die Konsequenzen für unterlassene Spurenlese sind folgenreich, vom Verlust eines Geschäfts (oder sogar Jobs) bis dahin, eine Faust im Gesicht sitzen zu haben. Männer deuten Frauen nicht so sehr; nicht weil sie es nicht könnten, sondern weil man es nicht von ihnen erwartet — weder Frauen noch Männer —, und übersehene Zeichen kosten sie wenig. Die Lösung für sexuelle Belästigung hieße für Männer, so wachsam wie möglich gegenüber den Belangen von Frauen zu sein. Das wäre eine Interaktion auf gleichem Niveau.

Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wenn sich ein schwuler Mann Thomas mit der Sprache aus Hills Zeugenaussage genähert hätte, würde er sich daran erinnern.

Vielleicht auch nicht. Thomas ist der Typ, der gesagt hat, er könne sich nicht erinnern, in all diesen Jahren als Richter über Abtreibung diskutiert zu haben, was ihn als Richter am Obersten Gerichtshof wegen Inkompetenz disqualifizieren sollte. Wenn die Republikaner gefühlt haben, daß Thomas' Kandidatur aus Gründen der Nichteignung in Gefahr war, dann hat T&A nicht nur die Aufmerksamkeit von Gates, sondern auch von Thomas' beruflichen Defiziten abgelenkt: ein Doppelschlag.

Der Kongreß könnte sich gerechtfertigt fühlen, Thomas zu bestätigen, da nicht absolut klar war, daß er das Gesetz gebrochen hatte. Das ist nicht gerade das gehobene Niveau, das wir uns für unseren höchsten Gerichtshof erhoffen. Aber da gab es schon andere Fälle vorher. Auch Nixon wurde gewählt, weil er kein Schurke war. Nur daß sich dann herausgestellt hat, daß er doch einer war.

Aus dem Amerikanischen von Sabine Seifert

DIET&A-STORY:DARUMWÄHLENWIRIMGRUNDEREPUBLIKANISCH