Bremerhavener SPD stürzt Werner Lenz

■ Nach acht Stunden Redeschlacht gab der Parteivorstand auf / Neuwahl in zwei Wochen

Der Erdrutschniederlage folgte der Vulkanausbruch. Und der fegte den Bremerhavener SPD- Vorsitzenden Werner Lenz und seinen gesamten Vorstand davon. Wut, Trauer, Ironie, Verbitterung, rhetorische Glanzleistungen und kaum zu glaubende Dumm-Dusseligkeiten, acht Stunden lang stritt der Unterbezirk Bremerhaven und eine Delegierte bekannte: „Heute abend ist das ganz toll hier.“

Gar nicht toll, fand der Bremerhavener SPD-Vorsitzende Werner Lenz den Abend, der nach seinem Willen gar nicht erst stattfinden sollte: Der Vostand wollte erst in zwei Wochen über das Wahlergebnis diskutieren. Erst eine Unterschriftenliste von 50 Genossen hatte den Parteitag erzwungen. Zu diesem Parteitag hatte Lenz ein Papier geschrie

Werner Lenz, Ex-König der SPD-BremerhavenFoto: K. Heddinga

ben, daß die Bremerhavenerin Ilse Janz als „Schönrednerei“ und „Vernebelung“ bezeichnete: Lenz hatte die sieben Prozent Verluste in Bremerhaven gegen die 13 Prozent Verluste in Bre

men gestellt, daraus den Schluß gezogen, daß sich die Partei ganz gut gehalten habe.

Vor der Wahl hatte Lenz noch ganz anders geredet und für den Fall einer Wahlniederlage seinen Rücktritt angekündigt. Nach der Wahl hatte er dann den elfköpfigen Vorstand, der mit 10 Lenz- Getreuen besetzt ist, das Vertrauen aussprechen lassen. Zu wenig, meinte der Bürgerschaftsabgeordnete Wilfried Töpfer: „Ich habe bei Dir nicht den Eindruck, daß Du erkannt hast, wo die Fehler tatsächlich sind. Stelle hier die Vertrauensfrage.“

Die Fehler listeten die Delegierten in einer für Bremerhaven ganz neuen Offenheit auf. „Die SPD steht auch für Arroganz der Macht und Filz“, sagte Wirtschftssenator Beckmeyer. Lenz Kommentar: „Opportunist.“

Ilse Janz monierte, daß zuviel über Pöstchen geredet worden sei. Lenz Kommentar: „Das sagt die, die von der CDU wegen ihres Versorgungspostens bei den Stadtwerken vorgeführt worden ist.“ Und die Rede des ehemaligen Vorsitzenden der SPD-Stadtverordneten-Fraktion wurde von Lenz mit mehrmaligen mittellauten „Arschloch“-Kommentaren begleitet. Bruns hatte in einer heftig beklatschten Generalabrechnung mit der Ära Lenz eine lange Liste von Fehlern vorgetragen. Innerparteiliche Kritiker seien diffamiert und sogar in ihrer beruflichen Existenz gefährdet worden. Mit seiner Personalpolitik, die nur Lenz-Getreuen eine Chance gab, habe er zur Wahlniederlage beigetragen. Und aus einer der ersten Sitzungen nach der Wahl zitierte Bruns den SPD-Boß mit den Worten: „Wer jetzt seine Suppe löffeln will, dem soll man den Teller gleich in den Rachen stoßen.“

Die einzige Lenz-Kritikerin im Vorstand, Hilde Erdolf, berichtete, wie sie von wichtigen Diskussionen ausgeschlossen wurde, Beschlüsse erst aus der Zeitung erfuhr oder telefonisch die Zustimmung zu 13 Seiten-Papieren verlangt wurde.

Lenz' Genossen waren hör- und sichtbar überrascht von der Vehemenz der Kritik, beklagten sich über vorformulierte Reden und hatten fast nichts entgegenzusetzen. Einer, der seit „35 Jahren das Banner trägt“, lobte die „politische Glaubwürdigkeit von Werner Lenz“. Ein anderer, der ehemalige Stadtwerke-Chef und Lenz stellvertreter Heinz Bahlmann, warf den Kritikern vor, die SPD-Wahlveranstaltungen nicht besucht zu haben und empfahl einem Journalisten der Nordsee- Zeitung, in eine Partei einzutreten, statt die SPD zu kritisieren.

Immer befreiter traten die Kritiker auf und verlangten die Entscheidung „heute oder nie.“ Um 2.20 Uhr gestern morgen war es dann soweit. Nachdem die Delegierten Lenz mit Mehrheit aufgefordert hatten, die Vertrauensfrage zu stellen, zog sich der Vorstand zur Beratung zurück. Ergebnis: Der geschlossene Rücktritt. Eine Neuwahl soll es jetzt am 24. Oktober geben. hbk