Verfahrenstricks belasten PDS-Prozeß

■ Geheimdienste sollen den Millionendeal der SED-Altkader aufgedeckt haben

Berlin (dpa/taz) — Der Prozeß gegen die früheren PDS-Funktionäre Wolfgang Langnitschke, Wolfgang Pohl und Karl-Heinz Kaufmann kommt nicht recht in Gang. Am vierten Verhandlungstag warteten die Verteidiger der wegen Veruntreuung angeklagten Altkader der früheren Staatspartei SED mit neuen Verfahrensspielchen auf: Die Ermittlungen wegen der Verschiebung von PDS-Millionen sollen, so die neueste Argumentationslinie, von den westdeutschen Geheimdiensten „angeschoben“ worden sein. Das erklärte gestern Rechtsanwalt Bernd Häusler. Er beantragte vor der 5. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichtes, das Verfahren gegen die ehemaligen PDS-Mannen vorübergehend auszusetzen.

Dem ehemaligen Parteivize Langnitschke, dem früheren Schatzmeister Pohl und dem Funktionär Kaufmann wird vorgeworfen, 107 Millionen Mark aus dem Vermögen der SED-Nachfolgeorganisation via Tarnfirma illegal nach Moskau verschoben zu haben. Die Angeklagten haben zwischenzeitlich den Vorwurf der Geldmanipulationen eingeräumt und damit begründet, daß sie für die PDS einen Teil des Parteivermögens angesichts einer drohenden Enteignung in Sicherheit bringen wollten.

Die Verteidiger konstatierten gestern vor Gericht einen „begründeten Verdacht“, daß die ersten Ermittlungsschritte für dieses Verfahren von Geheimdiensten initiiert worden sind. Der Prozeß müsse nun unterbrochen werden, weil weder den Angeklagten noch ihren Verteidigern bisher von seiten des Staatsschutzes, Interpols, der Berliner Staatsanwaltschaft oder der Polizei prozeßrelevante Akten darüber zugegangen seien. Die Unterlagen müßten nun umgehend auf den Tisch, anderenfalls sei ein faires Verfahren nicht möglich. Die Kenntnis dieser Akten sei „zwingend geboten“, damit sich die Angeklagten auf ihre Aussagen vorbereiten könnten.

Auch am vierten Prozeßtag, zu dem der Angeklagte Kaufmann wegen des „Jahrestages der Gründung der DDR“ mit einer roten Nelke erschien, wurde die Anklageschrift bisher nicht verlesen. Die Verteidigung hatten zunächst — wie sie bereits vorher angekündigt hatte — die aus ihrer Sicht falsche Besetzung der Strafkammer mit einem Ergänzungsrichter gerügt. Beanstandet wurde auch die Besetzung der Laienrichter, weil bisher keine Schöffen aus dem Ostteil der Stadt für die Gerichtsverhandlungen zur Verfügung stünden. Die Verteidiger beantragten ferner, dazu eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die 5. Große Strafkammer hat ihre Entscheidung zunächst zurückgestellt.

PDS-Parteichef Gregor Gysi hat unterdessen bestätigt, daß in seiner Partei „Destabilisierungstendenzen“ auszumachen seien. Im 'Neuen Deutschland‘ beschrieb er gestern den Versuch, die PDS links von der Sozialdemokratie zu etablieren, als „weder vollendet und gelungen noch gescheitert“. wg