'Andere‘ sucht Leser-Rettungsanker

■ Finanzierung bis zum 13. November/ Redaktion ruft zu Spenden auf/ 7.000 Abonennten gesucht

Mitte. Von seinem Zimmer aus eröffnet sich dem Herausgeber der Wochenzeitung 'Die Andere‘, Klaus Wolfram, ein symbolträchtiger Blick. Unterhalb der Französischen Straße, dem Sitz der Redaktion, stehen die halbfertigen Teile eines Kaufhauses, das unter Honecker begonnen wurde und dessen Abriß Wolfram wohl von hier aus nicht mehr verfolgen wird. Wie so viele alternative Medien steckt auch 'Die Andere‘ in Finanzschwierigkeiten. Der Verlag »BasisDruck« sichert das Erscheinen bis zum 13. November — dann droht das Aus. Es sei denn, es findet sich ein Geldgeber oder zusätzlich 7.000 Abonennten. Verkauft werden rund 15.000 Exemplare, inklusive 3.500 Abos. Zu wenig, um die wöchentlich 9.000 Mark Schulden zu begleichen. »Bei einer stabilen Verkaufsauflage von 30.000 wären wir überlebensfahig«, meint Wolfram. Um weiter zu sparen, wird der Kioskverkauf in Mecklenburg- Vorpommern, Cottbus und Görlitz und im Westen der Bundesrepublik ab Oktober eingestellt. Zu Jahresbeginn waren die Seiten von 24 auf 16 heruntergeschraubt, von 12 festangestellten Redakteuren wurden sieben entlassen.

Der Beginn war hoffnungsvoll: 1990 hatte die erste überregionale, unabhängige Wochenzeitung der DDR eine 100.000er Druckauflage, bald wurde sie von den Unwägbarkeiten der Alternativszene heimgesucht. Nach der sechsten Nummer kündigte die Redaktion — weil sich nach Ansicht der Mitarbeiter der Beirat in die redaktionelle Arbeit eingemischt hatte. Eine Notredaktion rettete das Blatt. Sommer 1990 ging die Zeitung mit dem 'Anzeiger‘ zusammen, der sich »eher dem autonomen und PDS-nahen Spektrum« verschrieben, aber »gute Kontakte zur Litaraturszene hatte« so Wolfram, seitdem der heimliche Chefredakteur: »Viele in der Redaktion und im Verlag waren dafür, daß einer da ist, der Streitfälle schlichtet.« Geblieben ist der Einheitslohn: monatlich 1.650 Mark brutto. An einer Reform des Blattes wurde im letzten Frühjahr gebastelt. Neues Layout, neue Themengewichtungen, Regionalausgaben in Sachsen und Thüringen waren geplant. Die Veröffentlichung der Stasi-Listen im Frühjahr absorbierten zu viel Kraft der 'Anderen‘. Wolfram glaubt, daran habe man sich die Reform »vermasselt«. »Man hätte erst die Zeitung verändern und dann die Listen herausbringen sollen«. Severin Weiland

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