INTERVIEW
: „Friedenstruppen nicht Bündnissen wie der WEU überlassen“

■ Peter Schlotter, Projektleiter und KSZE-Experte an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt, über die Optionen einer bewaffneten Einflußnahme

taz: Herr Schlotter, fangen wir doch mit einer Klärung der Begriffe an, die so oft durcheinandergeworfen werden: Was ist eine Friedenstruppe, was eine Eingreiftruppe, und was soll die Puffertruppe sein, von der Mitterrand gesprochen hat?

Peter Schlotter: Friedenstruppen — das sind die „Blauhelme“, die bisher nur im Rahmen der UNO eingesetzt worden sind. Sie sind keine Kampftruppen und können nur aktiv werden, wenn alle Beteiligten das wünschen. Sie sind nur für die Selbstverteidigung bewaffnet und haben in der Regel den Auftrag, einen Waffenstillstand zu überwachen. Unter „Puffertruppe“ kann ich mir nur eine etwas stärker bewaffnete Blauhelmtruppe vorstellen, die die Konflikparteien auseinanderhält, um einen vereinbarten Waffenstillstand zu sichern. Eingreiftruppen dagegen sind Kampftruppen. Sie dienen nach der UNO- Charta zum „peace enforcement“, also zur Erzwingung des Friedens, auch gegen den Willen von Konfliktbeteiligten.

Nehmen wir mal an, der Waffenstillstand wird tatsächlich eingehalten. Wer sollte dann eine Friedens- oder Puffertruppe stellen? WEU, KSZE oder die UNO?

Theoretisch kann das jede Organisation, die von allen Konfliktparteien eingeladen wird. Ich selbst plädiere dafür, das nicht Bündnissen, sondern nur Institutionen eines kollektiven Sicherheitssystems zu überlassen.

Sie fürchten, daß sonst zu viele Eigeninteressen hineinspielen?

Nato, WEU oder auch die EG stehen immer unter dem Verdacht, Hegemonialpolitik zu betreiben.

Im europäischen Rahmen wäre also die KSZE gefordert. Die hat aber noch kein kollektives Sicherheitssystem...

Ja, in streng völkerrechtlichem Sinne käme überhaupt nur die UNO in Frage. Aber der Sicherheitsrat könnte ja auch die KSZE beauftragen. Rein pragmatisch kann man sagen: Wenn alle Beteiligten dafür sind, muß man ja gar nicht die ganz strengen Maßstäbe anlegen.

Dafür, daß Serbien einer Friedenstruppe zustimmt, gibt es bislang aber wenig Hinweise...

Das wird noch vom Verhandlungsgeschick Carringtons abhängen und von dem Angebot der EG. Sie kann die Konfliktparteien sowohl durch Androhung von Sanktionen (Peitsche) als auch durch Angebote künftiger Kooperation (Zuckerbrot) unter Druck setzen.

Wirtschaftliche Druckmittel gibt es aber gegen Serbien wenig. Oder denken Sie an ähnlich scharfe Sanktionen wie gegen den Irak, bis hin zu einem Containment, gerade unterhalb der Schwelle einer militärischen Intervention?

Das halte ich gegenwärtig nicht für besonders sinnvoll. Man muß akzeptieren, daß es Konflikte gibt, die von außen nur schwer beeinflußbar sind.

...oder eben nur militärisch durch die UNO. Wäre die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens dazu der erste Schritt, damit die UNO eingreifen kann?

Die völkerrechtliche Anerkennung ist nicht unbedingt Voraussetzung. Die UNO kann — das hat der Fall der Kurden gezeigt — nach der neueren, weitergefaßten Interpretation ihrer Charta auch dann aktiv werden, wenn es zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen kommt, wie Völkermord oder Massendeportationen.

Schon jetzt ist die Zivilbevölkerung Ziel von Bombardements. Sollte die UNO da schon eingreifen?

Eine sehr schwierige Frage. Das militärische Eingreifen auch eines kollektiven Sicherheitssystems muß sich immer an der Verhältnismäßigkeit der Mittel messen lassen. So schrecklich der Bürgerkrieg für die Betroffenen ist: Der Golfkrieg hat wieder gezeigt, daß militärische Interventionen die Situation für die Betroffenen eher noch verschlimmern.

Für die ethno-nationalistischen Konflikte Südosteuropas hat Europa also keine adäquaten Strukturen?

Ich bezweifle, ob es ab einem gewissen Konfliktgrad überhaupt Strukturen gibt, die noch wirksam sein können. Von außen hätte man im Vorfeld Einfluß nehmen können — aber da haben die EG und andere versagt. Wenn Bürgerkriege erst einmal ausgebrochen sind, dann sind die Einflußmöglichkeiten nicht sehr groß. Interview: Michael Rediske