Rot-grüne Atomgenehmigung

■ Lingener Brennelemente-Fabrik darf neue Anreicherungsanlage errichten

Der Ausbau der Atomanlagen im rot-grün regierten Niedersachsen geht weiter. Am vergangenen Freitag erteilte das Umweltministerium in Hannover die erste Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) für den Bau und Betrieb einer sogenannten Trockenkonversionsanlage für die Brennelementefabrik der „Advanced Nuclear Fuel GmbH“ (ANF) in Lingen. Mit dieser Anlage will die ANF künftig Uranhexafluorid in das zur Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke benötigte Urandioxid umwandeln. Mit rund 250 Beschäftigten stellt die ANF jährlich etwa 400 Brennelemente her. Die Lieferungen gehen an AKWs in Schweden, Frankreich und in die Bundesrepublik. Nach Angaben von Reinhard Faulhaber, Geschäftsführer der ANF, fallen bei der Trockenkonversion gegenüber herkömlichen Verfahren erheblich weniger Abfälle an.

Die Genehmigungserteilung durch das rot-grüne Umweltministerium begründete Sprecherin Barbara Mussack damit, daß bereits 1977 beim Neubau der ANF von der damaligen CDU-Regierung Konzeptgenehmigungen erteilt worden waren, die auch eine Uran-Konversion vorsahen. Diese Genehmigungen hätten rechtliche Bindungswirkung gehabt. Mussack erklärte außerdem, daß die jetzt erteilte Genehmigung nicht mit dem sofortigen Vollzug ausgestattet sei. Dadurch hätten Klagen gegen den ANF- Ausbau aufschiebende Wirkung. Nach Angaben von Reinhard Faulhaber will die ANF erstmal abwarten, ob es dazu kommt. Erst dann will das Unternehmen über weitere Schritte entscheiden.

Die „Bürgerinitiative Emsland gegen Atomanlagen“ hat inzwischen angekündigt, daß sie die Möglichkeit einer Klage gegen den Ausbau prüfe. Herbert Masslau, Mitglied der Bürgerinitiative, ist stinksauer: „Statt Ausstieg aus der Atomenergie betreibt die rot-grüne Regierung den weiteren Ausbau der Atomanlagen.“ Aus Hannover erwartet er sich „keinerlei Unterstützung“ mehr.

Mit der jetzt erteilten ersten TEG wird der ANF der Bau der erforderlichen Gebäude und Anlagenteile erlaubt. Nach Angaben der ANF wird dies etwa eineinhalb Jahre dauern. Außerdem erstreckt sich die Genehmigung auf die Lagerung und den Umgang mit jährlich 20 Tonnen nicht angereichertem Uranhexafluorid. Weltweit gibt es mit diesem in den USA entwickelten Verfahren nur wenig Erfahrungen. Die dort ansässige Muttergesellschaft der ANF, eine Holding der deutschen Siemens AG, hat seit einigen Jahren eine entsprechende Pilotanlage in Betrieb. Unabhängige Beurteilungen über deren Sicherheit und Umweltverträglichkeit gibt es jedoch nicht. Mit der zweiten TEG, die dieses Trockenverfahren für den kommerziellen Einsatz und einer Anreicherung von bis zu fünf Prozent spaltbaren Uran 235 genehmigen wird, rechnet die ANF Ende 1992.

Eigentlich hätte die jetzt erteilte Genehmigung schon vor einem Jahr erteilt werden sollen. Dieser Zeitplan scheiterte aber, weil im Mai 1990 zwei Behälter mit über 100 Kilogramm Urantabletten — ohne daß es im ANF- Werk bemerkt wurde — als Leerbehälter deklariert in die USA zurückgeschickt worden waren. Erst dort wurde der Vorfall entdeckt und die Internationale Atomenergie-Behörde unterrichtet. Zur Überwachung der Betriebsabläufe wurde die ANF daraufhin vier Monate von der Euratom unter Verwaltungskontrolle gestellt. Nachdem jetzt der Abschlußbericht der Euratom und eine zusätzliche Überprüfung durch den TÜV ausgewertet wurden, erteilte Hannover die Genehmigung. Dirk Seifert