Vom Nachttisch geräumt: DDR-Literatur

Jahr für Jahr erschien im Aufbau- Verlag ein Band DDR-Literatur im Gespräch. Man fand darin Besprechungen der wichtigsten Neuerscheinungen des vergangenen Jahres, auch zusammenfassende Darstellungen, die Markierung von Trends, vergleichende Analysen und eine Bibliographie. Im vergangenen Jahr erschien der letzte Band der Reihe. Siegfried Rönisch hat ihn herausgegeben und zwei Seiten „Vorbemerkung“ für schamlose Weißwäscherei genutzt. Die gröbste Lüge: „Für Sartre, jenen geistvollen und scharfsinnigen Analytiker der modernen Epoche und ihrer Intellektuellen, war kreatives Schreiben im Jahrhundert zweier Weltkriege nur noch als aktive Tätigkeit und mitwirkende Teilnahme an der Lösung der elementaren Lebensprobleme der Völker vorstellbar. Die Quintessenz seiner Betrachtungen faßte er in der leitbildhaften Formel ,littérature engagée‘ zusammen. Wenn von DDR-Literatur ein durchgängig zutreffendes Charakteristikum genannt werden soll, so dies: DDR-Literatur war vom ersten Tage an genau in diesem Sinne engagierte Literatur.“ Meint Herr Rönisch wirklich, man hätte vergessen, was in der DDR alles an Schmähschriften gegen Sartre erschienen ist? Wem lügt er was vor? Die Vorbemerkung des Herausgebers belegt noch einmal, wovon der erste Beitrag handelt: „die Selbsttäuschungen einer ,vermittelnden‘ Literaturwissenschaft“. Er belegt auch die Verlogenheit dieses Titels. Es handelte sich zu einem gut Teil nicht um Selbsttäuschungen, sondern um die bewußte Täuschung von Lesern seitens einer Kaste von Vorlesern, die es besser wußte.

DDR-Literatur '89 im Gespräch . Hrsg. von Siegfried Rönisch, Aufbau-Verlag, 350 Seiten, 15,70DM