„Silberner Maulkorb“ für die Junge Presse Bayerns

■ Anti-Zensur-Referentin der bayerischen Selbtsorganisation von Schüler- und Jugendzeitungen wird zensiert

Seit 20 Jahren setzt sich die Junge Presse Bayern (JBP) vor allem gegen die alltägliche Zensur von Schüler-, Jugend- und Alternativmedien ein. „Wir wollen, daß dieses Recht (auf freie Meinungsäußerung) für Jugendliche nicht nur theoretisch ist, sondern daß wir auch in der Praxis unsere Meinung in unseren eigenen Medien frei äußern und uns an der öffentlichen Meinungsbildung kritisch beteiligen können“, schreibt die JPB über sich selbst.

Aufgabe der „Anti-Zensur-Referentin“ ist es, Zensurfälle aufzuspüren, aufzudecken und diesen entgegenzuwirken. Nun ist es gerade sie, die sich über Zensur in den eigenen Reihen beschwert: „Zensur ist fest verankert in den hierarchischen Strukturen des Verbandes.“ Harte Kritik für die Junge Presse Bayern, die sich als basisnahe Selbstorganisation versteht und deren selbstgewählter Schwerpunkt die Anti-Zensur- Arbeit ist.

Jahr für Jahr verleiht der 450 Mitglieder starke Verband zum Beispiel den „Silbernen Maulkorb“ an besonders herausragende Zensoren. Im letzten Jahr ging der Satirepreis an den bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair, der letzendlich dafür verantwortlich ist, daß Schuldirektoren in Bayern das Recht haben, Schülerzeitungen zu zensieren. Nun wird effektive Anti-Zensur-Arbeit anscheinden durch Machtkämpfe in den eigenen Reihen behindert.

Exemplarisch für den internen Beziehungsklüngel war schon die Wahl des Landesvorstandes im November letzten Jahres: Für sämtliche Ämter standen die jeweils einzigen KandidatInnen schon fest und wurden auch brav von den anwesenden Mitgliedern gewählt. Lediglich für das Anti-Zensur-Referat standen zwei Kandidatinnen zur Wahl. Eine von ihnen, Liz Eichhorn aus Nürnberg, war nicht von der oberbayerischen Führungsclique aufgestellt worden. Sie wurde überraschend gewählt.

Trotz dieser nicht ganz einfachen Ausgangssituation ging Liz Eichhorn zügig an die Arbeit. Gleich für die erste Ausgabe des 'Bayernanzeigers‘, das Verbandsorgan, schrieb sie zwei Artikel, in denen sie Konzepte zur Bekämpfung von Zensur und zur Mitgliederwerbung entwarf. Zum Erstaunen der Anti-Zensur-Referentin erschien lediglich ein Artikel unter ihrem Namen, der zudem mit dem Manuskript kaum mehr etwas zu tun hatte.

Sie beschwerte sich beim zuständigen Publikationsreferenten, der ihr in einem offenen Brief entgegenhielt, sie sei „mit allen Kürzungen einverstanden gewesen“. Schließlich wurde Liz Eichhorn zugesichert, ihre Artikel würden im nächsten Bayernanzeiger ungekürzt erscheinen. Doch was erschien, war aufs Wort genau der gleiche Artikel, der bereits in der letzten Ausgabe des Verbandsorgans ihren Unmut ausgelöst hatte.

Die Anti-Zensur-Referentin reagiert mit einem offenen Brief, der im verbandsinternen „Aktivenrundbrief“ veröffentlicht wurde. Unter der Überschrift „Meinungsfreiheit in der JPB — gibt es die?!“ wirft sie dem Landesvorstand vor, Zensur auszuüben, sie damit zu diskriminieren und zu boykottieren: „Zuerst wurden samtliche Aussagen, die ich getätigt hatte, verdreht und verfälscht, berichtigte ich die Lügen, kamen neue, und zwar in einem Ausmaß, daß ich an Zufälle wie Mißverständnisse einfach nicht mehr glaube.“

Die Antwort gab Publikationsreferent Jörg Schmilewski ebenfalls in Form eines offenen Briefes unter der Überschrift „Hinter(LIZ)t ist,...“ in dem er ihre Anschuldigungen schlichtweg als Lügen zurückweist und sie als „selbsternannte Märtyrerin der JPB“ bezeichnet. Der Artikel endet mit dem Satz: „Hier wird eine Frau aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, die andere LaVo-Mitglieder bei der Arbeit behindert!“ Dieser Meinung schlossen sich weite Teile des Landesvorstandes an.

Liz Eichhorn berichtete: „Es war der totale Nervenkrieg. Die haben mich niedergebrüllt, mich als verbandsschädigend bezeichnet und gerufen, ich solle zurücktreten, nur weil ich meine Meinung gesagt habe.“ Verbandsschädigend wäre ihrer Auffassung nach das Verhalten des Landesvorstandes, der Kritik in den eigenen Reihen nicht zulasse.

Inzwischen ist ein eher emotionaler als rationaler Streit innerhalb der JPB entstanden, bei dem es nicht mehr um Inhalte von Artikeln geht. Vielmehr ist es ein Kampf um verbandsinterne Machtstrukturen. Es ist also nicht verwunderlich, daß auch der letzte Versuch der Anti- Zensur-Referentin, einen Artikel zu veröffentlichen, als Provokation gewertet wurde: Sie forderte alle LeserInnen des 'Bayernanzeigers‘ auf, den Aktivenrundbrief anzufordern, und versprach „spannende und hochaktuelle“ Verbandsinterna zum Thema „Meinungsfreiheit in der JPB“. Mit einer fadenscheinigen Begründung wurde der Artikel nicht gedruckt.

„Wie soll ich als Anti-Zensur-Referentin mich effektiv gegen Zensur einsetzen können, wenn ich selbst ständig zensiert werde? Ich kann mich nur dann für die Meinungsfreiheit anderer einsetzen, wenn zunächst einmal meine eigene gewährleistet ist“, klagt Liz Eichhorn und ist mit ihrem Latein am Ende. Antje Schwarzmeier