Warten auf den 1.FC Köln

Halbfinale im DFB-Pokal: MSV Duisburg — 1. FC Köln 0:0 nach Verlängerung/ Kölner Erstligisten erwiesen sich als bloße Komparsen beim aufopferungsvollen Kampf der dezimierten Zweitklässler  ■ Von Christoph Biermann

Duisburg (taz) — Vor dem Spiel gab es die T-Shirts mit den Konterfeis der Spieler des MSV im Sonderangebot, und so war auch die Stimmung. Ohne die verletzten Stürmer Michael Tönnies und Ferenc Schmidt, da waren sich Medien und Fans einmal einig, konnte der Zweitligist für den 1. FC Köln eigentlich kaum mehr ein ernstzunehmender Herausforderer sein. Und so wollte im ausverkauften, aber nicht vollbesetzten Wedau-Stadion zunächst auch keine rechte Stimmung aufkommen. Geduckt hockten die Fans auf der Tribüne und hofften, daß es bei der ersten Live- Übertragung eines MSV-Spieles nach so vielen Jahren im Schlagschatten doch bitte nicht so schlimm kommen solle.

Den Schrägschuß, in der zweiten Minute von Dirk Bremser auf das Tor von Bodo Illgner gedroschen, nahm man wohlgefällig hin, aber kaum richtig ernst. Auch der Kopfball von Steininger einige Minuten später fiel in diese Kategorie. Alle warteten auf den 1. FC Köln und darauf, daß er den dezimierten Gegner elegant ausspielen würde. Aber auch nach einer halben Stunde war der FC noch nicht glaubhaft vor dem Tor von Heribert Macherey gesichtet worden und der MSV begann langsam zu realisieren, daß er mehr als die Staffage für Kölns Einzug ins Pokalfinale abgeben könnte.

Die von Willibert Kremer völlig umgebaute Mannschaft spielte zusehends besser, schlicht und wenig kunstvoll zwar, aber der Gegner ließ sie gewähren. Lothar Woelk glaubte sich plötzlich die Rolle des Liberos, die der Trainer ihm aufgetragen hatte, die Arbeitsbiene Dirk Bremser wurde, vielleicht zum eigenen Erstaunen, zum Mittelfeldregisseur und Wojtech Kaluzny, aus der fünftklassigen Amateurmannschaft des MSV plötzlich vor ein Millionenpublikum gezerrt, war auf einmal wirklich ein Stürmer.

„Die Spieler des MSV, von denen viele vielleicht nie mehr eine solche Chance bekommen werden, haben heute um ihr Leben gespielt“, sagte Kölns Trainer Erich Rutemöller hinterher, aber es war seine Mannschaft, die dem Gegner dieses Leben einhauchte. Erst nach 35 Minuten sorgte Frank Ordenewitz für die erste richtige Torchance, und eine Minute später schoß Pierre Littbarski aus zwanzig Metern nur knapp übers Tor. Aber der Beifall nach 45 Minuten galt ausschließlich dem MSV und es schien auf einmal so etwas wie Hoffnung dazusein, das große Ziel vielleicht doch zu erreichen.

Aber dann konnte der überragende Franz-Josef Steininger frei vor Bodo Illgner den Ball nicht ins Tor bringen, Gielchen rettete den Schuß von Tarnat auf der Linie und die Schritte der Spieler des MSV wurden langsamer und schwerer. Jetzt aber, jetzt mußte der 1. FC Köln doch endlich entscheidend eingreifen. Jeder im Stadion erwartete den völligen Zusammenbruch des erschöpften MSV-Teams. Und dann tauchte Horst Heldt auch frei vor dem MSV-Tor auf und gleich danach gab es zweimal völliges Durcheinander im Strafraum der Duisburger, aber das war schon eine Viertelstunde vor Ende der regulären Spielzeit.

Dramatisch war der Kraftverschleiß bei den Gastgebern. Mariotti mußte nach Wadenkrämpfen ausgewechselt werden, der Amateur Kaluzny schleppte sich winkend vom Platz. Wie sollte dieses Team nur die Verlängerung überstehen? Gut, der moralischen Sieger waren sie längst, aber ein gelungenes Solo von Maurice Banach würde schon reichen, oder doch noch ein guter Paß von Pierre Littbarski.

Aber wieder war es der MSV, der sich mühsam einige Ecken und ein paar Freistöße erkämpfte. Selbst in dieser Zeit gelang es den Kölnern nicht, das Spiel an sich zu reißen, und bald war es dafür auch zu spät. Am Ende war der 1. FC Köln zur Komparserie für das aufopferungsvolle Spiel einer Mannschaft geworden, an die keiner so recht geglaubt hatte, wohl nicht einmal sie selbst.

Ihr Trainer Willibert Kremer meinte hinterher: „Ich glaube, daß wir beim Wiederholungsspiel in Köln eine Chance haben.“ Dann wird Duisburg übrigens auch mit einem Sturm antreten.

MSV Duisburg: Macherey — Woelk — Puszamszies, Tarnat — Bremser, Steininger, Notthoff, Mariotti (73. Hajszan), Lienen — Struckmann, Kaluzny (86. Kober)

1. FC Köln: Illgner — Götz, Gielchen, Baumann — Rudy, Sturm (72. Heldt), Littbarski, Higl, Andersen — Banach, Ordenewitz

Zuschauer: 31.000