Leere Hände

■ Das Scheitern der Ostasien-Reise Gorbatschows kann auch innenpolitisch Folgen haben

Leere Hände Das Scheitern der Ostasien-Reise Gorbatschows kann auch innenpolitisch Folgen haben

Noch vor einigen Jahren wäre eine Japan- Reise Gorbatschows anders ausgegangen. Beide Seiten hätten sich der gemeinsamen Erklärung von 1956 entsonnen, in der die Sowjetunion die Rückgabe von Schikotan und Habomei zugesagt hatte. Über die Rückgabemodalitäten der beiden anderen strittigen Inseln hätten Verhandlungen begonnen, in denen es vor allem um die Höhe von Krediten und um Wirtschaftshilfe gegangen wäre. Aber die Situation hat sich inzwischen gewandelt.

Die strategische Bedeutung der Kurilen ist dank der modernen Waffenentwicklung zwar zurückgegangen. Sobald sie als heiliger Boden des jeweiligen Vaterlandes definiert wurden, ließen sie sich aber weder gegen einen Friedensvertrag noch gegen Wirtschaftshilfe tauschen. Für die japanische Seite waren sie solch heiliger Boden um so mehr, als die Sowjetunion gegenwärtig kein attraktiver Handelspartner ist. Lieferschwierigkeiten, Inkompetenz, Schlamperei und bürokratische Obstruktion in der UdSSR konnten die japanische Geschäftswelt nicht veranlassen, ihre Regierung zur Lockerung der starren Haltung zu veranlassen.

Also mußte die sowjetische Seite verzichten. Denn auch ihr fehlte Verhandlungsspielraum. Seit Sommer 1990 hatte der Reformerflügel beständig an Macht eingebüßt. Die „Patrioten“ — sei es in nationalistisch-imperialer, sei es in bürokratisch-parteilicher, sei es in militärischer Gestalt — hatten ihren Einfluß beständig erweitert. Gegen sie kann Gorbatschow heute nicht mehr regieren. Für diese Stützen des Imperiums aber waren bereits die kampflose Aufgabe Osteuropas und der „Verkauf“ der DDR Verrat gewesen. Die Abtretung der Kurilen ließ sich innenpolitisch umso weniger durchsetzen, als auch Gorbatschows populistisch-demokratischer Gegenspieler Jelzin und seine Anhänger die Hergabe heiliger russischer Erde nicht tolerieren wollen. Auch dem radikalreformerischen Streben sind nationale Empfindungen nicht fremd.

Schwer realisierbar erscheint damit aber der strategische Entwurf einer wirtschaftlichen Erschließung des sowjetischen Fernen Ostens und seiner Integration in das potente ostasiatische Wirtschaftsgebiet. Das Ziel, gemeinsam mit Japan, Südkorea und den kapitalistischen Exklaven und Enklaven Chinas eine dynamische Wirtschaftsregion aufzubauen, kann die Sowjetunion angesichts ihrer Strukturschwäche nur mit Hilfe kompetenter Partner realisieren. Sollte Gorbatschow nun auch aus Südkorea mit leeren Händen zurückkommen, fehlte ihm — dem meistgehaßten Menschen der UdSSR — also auch der außenpolitische Erfolg, dann könnte der wirkliche Machtkampf beginnen. Erhard Stölting