Fehlender politischer Wille

■ Das Völkerrecht erlaubt die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irak

Genf (taz) — Die Bedenken gegen die Einrichtung einer Schutzzone für die Kurden im Norden Iraks sind vor allem politischer Natur. Die vorgebrachten völkerrechtlichen Einwände, hinter denen sie zum Teil versteckt werden, können nicht überzeugen. Der vielfach gegen eine „Einmischung“ der UNO in „innere Angelegenheiten“ Iraks angeführte Artikel 2, Paragraph 7 der UNO-Gründungscharta, in dem 1945 das wichtige Prinzip der staatlichen Souveränität festgelegt wurde, wird zumeist nur unvollständig zitiert. Im zweiten Satz dieses Paragraphen heißt es nämlich, daß die in den Artikeln 39 bis 51 der Charta vorgesehenen Zwangsmaßnahmen des UNO-Sicherheitsrates für den Fall einer „Gefährdung oder des Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung“ von diesem Prinzip der Nichteinmischung „unberührt“ bleiben. Diese Völkerrechtsartikel waren für die überragende Mehrheit der Sicherheitsratsmitglieder im Herbst letzten Jahres ausreichende Grundlage für die Beschlüsse, durch die schließlich der Krieg gegen den Irak legitimiert wurde. Das Vorgehen Saddam Husseins gegen die Minderheit der drei Millionen Kurden erfüllt klar den Tatbestand des Völkermords, wie er in der Genozid- Konvention der UNO definiert ist und rechtfertigt auch damit ein Eingreifen der Weltorganisation. Der Völkermord an den Kurden ist völkerrechtlich mindestens so verwerflich, wie die irakische Invasion in Kuwait. Die durch die Verfolgung von Kurden und Schiiten ausgelösten Flüchtlingsströme in die Nachbarländer „bedrohen den Frieden und die Sicherheit in der Region“, hat das oberste UNO- Gremium bereits in seiner Resolution 688 vom letzten Samstag festgestellt und damit die in Artikel 39 der Charta verlangte Voraussetzung für die Ergreifung militärischer oder nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen erfüllt. Der Bürgerkrieg im Irak hat nach dieser Feststellung keinen rein innerstaatlichen Charakter. Doch selbst wenn es zu den Auswirkungen auf Nachbarstaaten nicht gekommen wäre: Die beiden Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Konventionen ermöglichen ausdrücklich die Einrichtung von „entmilitarisierten Zonen“ nicht nur bei zwischenstaatlichen Kriegen, sondern auch, wenn sich ein Volk im Kampf um Selbstbestimmung oder gegen rassistische Regimes auflehnt, bzw. wenn ausschließlich auf dem Hoheitsgebiet nur eines Staates ein militärischer Konflikt zwischen Regierungsstreitkräften und organisierten bewaffneten Oppositionsgruppen stattfindet. Ist eine Zustimmung Bagdads zur Schaffung solcher Schutzzonen und zu ihrer Absicherung durch „Blauhelme“ nicht zu erhalten — wonach es derzeit nicht ausieht, was sich aber ändern könnte — kann die UNO Friedenstruppen entsenden, die die Schutzzonen durchzusetzen hätten. Auch wäre die UNO für einen Einsatz von Friedenstruppen im Irak weder auf eine westeuropäische Eingreiftruppe, wie sie beim Luxemburger EG-Gipfel erneut gefordert wurde, noch auf Soldaten der Bundeswehr angewiesen. Eine Reihe kleinerer, neutraler Staaten wären bereit, ausreichende Streitkräfte für eine UNO-Friedenstruppe bereitzustellen. Was lediglich noch fehlt, ist der politische Wille im Sicherheitsrat, einen entsprechenden Beschluß zu fassen. Andreas Zumach