KOMMENTARE
: Das Prinzip der Kontinuität

■ Die Arbeit der Treuhandanstalt soll wie bislang weitergeführt werden

Nach der Ermordung Detlev Rohwedders beteuerten Politiker und die Manager der Treuhandanstalt eilig, die Arbeit des Privatisierungsinstituts werde weiter fortgeführt wie bisher. Auch Bundesfinanzminister Waigel sieht keinen Bedarf an neuen Konzepten. In Bonn und Berlin wird derzeit das Kontinuitätsprinzip unterstrichen — wie eine Trotzreaktion, mit der verdeutlicht werden soll, daß man sich von der RAF die Wirtschaftspolitik in Ostdeutschland nicht vorschreiben lassen will. Gegen Spekulationen, daß sich kurzfristig etwas am Vorgehen der Treuhand ändern werde, spricht schon der Umstand, daß in Politik und Wirtschaft niemand in die anrüchige Lage kommen mag, indirekt von dem Mord zu profitieren. In diesem Sinn ist auch der Streit, ob die Anstalt unter Waigels Finanzministerium bleiben oder Bundeswirtschaftsminsiter Möllemann unterstellt werden soll, einstweilen aufgeschoben.

Außerdem ist die Treuhand, deren ManagerInnen zwar formell parlamentarisch kontrolliert, aber nicht gewählt werden, keine Landes- oder Bundesregierung, in denen je nach dem Mehrheitsverhältnis der Parteien die Politik modifiziert werden kann. Wenn aber — selbst besten Willen vorausgesetzt — schon die verhältnismäßig geringen Erfolge rot-grüner Koalitionen belegen, wie wenig Spielraum wirtschaftliche Sachzwänge lassen, gilt dies für die Treuhand umso mehr: Ihr institutioneller Auftrag ist — insgesamt gesehen — unlösbar, ihre Fehler sind strukturell bedingt. Die soziale Gewalttätigkeit der Treuhand ändert sich auch nach Rohwedders Tod nicht, weil diese Gewalttätigkeit eine notwendige und vorhersehbare Folge des Vereinigungsprozesses ist. Und das Treuhandgesetz entspringt nun einmal dem von der Bundesregierung gewählten Kurs.

Daran ändert auch der Vorstand nicht viel, mag ihm Rohwedder oder Breuel präsidieren. Einem klaren wirtschaftspolitischen Konzept entspricht die Arbeit der Treuhand ohnehin nicht; in ihren Akzentverschiebungen zwischen Privatisierung und Sanierung reagiert sie eher auf den Unmut der PolitikerInnen in Bonn als auf die Einsicht ihrer Leitenden. Wenn die Behauptung, die Treuhand arbeite im Geiste Rohewedders weiter, stimmt, dann kaum mehr als in Bezug auf die Organisationsleistung ihres zweiten Chefs.

Die inhaltlichen Schwerpunkte können, wenn überhaupt, erst jetzt entwickelt werden — zu einem Zeitpunkt, an dem das von Rohwedder organisierte Gerüst der Treuhand steht. Es ist eine müßige Spekulation, ob diese oder jene künftige Maßnahme der Treuhand „im Geiste Rohwedders“ gewesen wäre oder nicht. Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, daß die politischen Weichen in Bonn und nicht in Berlin gestellt werden. Andererseits hat sich die Treuhand als durchaus beeinflußbar erwiesen. Im einen wie im anderen Fall hatte der Treuhand-Chef einen ebenso begrenzten Handlungsspielraum wie die Anstalt insgesamt. Dietmar Bartz