Verfahrenseinstellung abgelehnt

Gericht wollte acht von 16 Verfahren im PKK-Prozeß einstellen/ Verteidigung: „Bankrotterklärung“  ■ Von Bettina Markmeyer

Düsseldorf (taz) — Weil sie nurmehr wegen geringfügiger Vergehen verurteilt werden könnten und ein öffentliches Interesse an ihrer Verfolgung nicht mehr bestünde, will der 5. Strafsenat am Düsseldorfer Oberlandesgericht das Verfahren gegen acht von sechzehn Angeklagten im sogenannten PKK-Prozeß (Kurdische Arbeiterpartei) einstellen. Überraschend kam das Gericht letzte Woche zu der Erkenntnis, daß den acht Männern entweder die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder ihre Beteiligung an angeblichen Entführungen abtrünniger Parteimitglieder nicht nachgewiesen werden könne.

Gestern, am 119. Verhandlungstag, lehnten die Angeklagten eine Verfahrenseinstellung ab. Sie wollen einen Freispruch oder die Einstellung des gesamten Prozesses. Damit muß das Gericht gegen sie weiterverhandeln oder ihre Verfahren abtrennen. Gericht und Anklage versuchten, so die Angeklagten, ihre Niederlage zu kaschieren, gleichzeitig jedoch den Mammutprozeß zu straffen und damit als politisches Verfahren gegen die PKK ohne Freisprüche zu Ende zu führen.

Seinen Einstellungsbeschluß vom 13.März begründete der Senat vor allem mit „erheblichen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Arslan“. Auf Nusret Arslans Aussage, der sich von der PKK getrennt haben und daraufhin von dreien der Angeklagten entführt worden sein wollte, basiert im wesentlichen die Anklage der Bundesanwaltschaft. Aus seinen Informationen über die internen Strukturen der PKK in Europa konstruierte die Anklage eine terroristische Vereinigung innerhalb der Partei, die ihre Gegner „bis zur physischen Vernichtung“ verfolge.

Offensichtlich kann auch die Bundesanwaltschaft ihren wichtigsten Zeugen nicht mehr halten, denn sie stimmte in ihrer gestrigen Erklärung sechs Einstellungsbeschlüssen zu. Nachdem ein weiterer Belastungszeuge vor Gericht die Aussage verweigert hatte, kann sich die Bundesanwaltschaft jetzt nur noch auf den Anfang April erwarteten Kronzeugen Cetiner stützen, der in Berlin zu fünf Jahren Haft verurteilt worden ist, weil er an der Ermordung eines abtrünnigen Parteimitglieds beteiligt war. Jedoch habe Cetiner in jüngeren Vernehmungen nun ebenfalls frühere Angaben zu Binnenstrukturen und Bestrafungspraktiken der PKK relativiert, so der Düsseldorfer Senat in seinem Beschluß. Seine Aussage werde deshalb keine neuen Beweise gegen die acht Angeklagten erbringen.

Die Verteidigung bezeichnete den Einstellungsbeschluß als „Bankrotterklärung des Senats, wie sie krasser nicht sein könnte“. Die Hälfte der Angeklagten, die zu Prozeßbeginn der Öffentlichkeit als „Top-Terroristen“ im Glaskäfig vorgeführt worden seien, sollten nun einem Einstellungsbeschluß zustimmen, der ihnen weder Entschädigungen für die erlittene U-Haft noch die, so Rechtsanwalt Carl Heydenreich, „mit den Händen zu greifenden Freisprüche“ brächte. Sein Mandant beispielsweise sei ein Jahr und neun Monate unter Isolationshaftbedingungen „seiner Freiheit beraubt“ worden, aufgrund einer Anklage, die die bisherige Beweisaufnahme mit keinem einzigen Indiz erhärten konnte.

„Wir stehen vor dem Torso einer Beweisaufnahme.“ Offenbar, so die VerteidigerInnen, wolle der Senat mit dem Einstellungsbeschluß dennoch „freisprechende Urteile in diesem Verfahren auf jeden Fall vermeiden“.