Zeitschriften: Magnus/Haki-Journal/Rosige Zeiten/Mimikry/Rosa Fahne/Rosa Zone/Lust/Schwules Aachen/Anstoß/Rosamunde/Schwulst/Südwind/Nürnberger Schwulenpost

J E A N J A C Q U E S

S O U K U P

Schwule Medien — egal ob Bücher, Filme, Zeitschriften, Theaterstücke oder Radiosendungen — liefern Bilder von Schwulen, wirken identitätsstiftend. Der Unterschied zwischen Bildern, die Schwule selber produzieren, und denen, die Heteros von ihnen produzieren, ist entscheidend, weist die Notwendigkeit eines von Schwulen für Schwule gemachten Journalismus auf und ist derzeit einziger Garant, das Recht auf Information zu sichern. So und ähnlich wird der Glaubenssatz formuliert — Grundlage eines durchaus innovativen Marktes, der sich in den letzten zwanzig Jahren stetig weiterentwickelte. Der Kreis und Der Weg, Homophilen-Postillen, die es seit den 30er bzw. 50er Jahren gab, stellten nach der Liberalisierung des Paragraphen 175, also 1969, ihr Erscheinen ein: Sie waren nicht mehr zeitgemäß. Prüde und geprägt vom totalen Verbot, reagierten sie mit Angst auf die neuen Freiheiten. Die Redakteure des „Nachseptembermagazins“ Du und Ich, wie es sich im Untertitel nannte, und von Him, beides halbpornografische, kommerzielle Glanzpapiermagazine, reagierten nahezu hysterisch auf die Forderungen, die „das linksradikale Kommunistenpack“ — die gerade entstehende studentisch geprägte Schwulenbewegung — aufstellte.

Selbige schaffte sich bald eigene Diskussionsforen: Zuerst das HAW-Info, eine Sammlung von Arbeitsgruppenprotokollen der anfangs sehr disziplinierten ersten schwulen Emanzipationsgruppe in Berlin. Mitglieder dieser Homosexuellen Aktion Westberlin waren es auch, die ab Mai '75 die Schwuchtel herausgaben, den Verlag rosa Winkel gründeten und über Buchversand und Buchladen nachdachten.

Ebenfalls 1975 erschienen die Null-Nummern der Emanzipation und der Rosa. Alle drei waren nicht kommerziell und überregional und verzichteten auf Hochglanz-Pin- Ups. Hier wurde über viele der heutigen Standardthemen erstmalig geschrieben: Gewalt gegen Schwule, Pädophilie, Promiskuität und Treue, Tunten, Machos und Klemmschwestern, Schwulenfeminismus, Schwule in der DDR, Christopher Street Day, Schwule und Sucht, Schwule im Parlament und anderen Institutionen, Verhältnis Frauen/ Schwule und Lesben/Schwule, S/M, Filme, Geschichte, Literatur, Sexualität, Strich, Subkultur, schwule Projekte und Wohngemeinschaften, Pornographie, Schwule und Kirche, Lebensformen, Knast, Interviews mit Praunheims, Salzgebers, Schernikaus.

Als die erste Ausgabe der Bielefelder Triebhaft im November '81 erschien, fand gerade ein Umbruch statt: Lebensentwürfe, die in den Siebzigern entwickelt wurden, erwiesen sich als nicht mehr realisierbar, und entstandene Ideen wurden zu Verhaltensmaßregeln, bevor sie von einer neuen Schwulengeneration verworfen wurde. Gab es vorher eben nur die eine Gruppe mit dem einen Veranstaltungsplan in jeder größeren Stadt, so brachte die beginnende Binnendifferenzierung eine Vielzahl unterschiedlichster Angebote hervor, entwickelte sich eine breite Infrastruktur schwuler Gruppen, Projekte und Organisationen, die den Markt für den Veranstaltungskalender und die ständig aktualisierte Adressenliste erzeugte. Die heute erscheinenden regionalen Schwulenzeitungen haben einiges der ersten Bewegungsblätter übernommen: Ihren Autoren und Mitarbeitern geht es um die eigene Lust am Zeitungsmachen, um die Gruppe, die das macht, und bei manchen auch um die internen Diskussionen. Aus einigen ist nicht viel mehr geworden als Veranstaltungskalender und „Gay Guide“. Sie arbeiten in ihrer Freizeit am Blatt für den schwulen Freizeitmarkt. Waren die Zeitungsmacher bei den Überregionalen in den Siebzigern vor allem Langzeitstudis und -arbeitslose, so hat sich hier das Bild verändert: Beim zweiten Treffen regionaler Schwulen- und Lesbenzeitungen, das kürzlich im Waldschlösschen bei Göttingen stattfand, traf sich ein anderes Klientel: Publizistikstudenten, Buchhändler, EDV-Programmierer, Drucker, Krankenpfleger, Schüler, wissenschaftliche Angestellte, Wirtschaftswissenschaftler. Ein kleiner Überblick, beginnend mit der Ausnahme: Nur die Homo-Metropole leistet sich zwei bezahlte Journalisten, die seit einem knappen halben Jahr einen Veranstaltungskalender mit wachsendem redaktionellem Teil bearbeiten: die Siegessäule, Berlin-Beilage der überregionalen Magnus. Aus dem Wunsch der Szene nach einem Berliner Homo-Blatt und weil die Konkurrenz plante, diesen Markt zu besetzen, ist ein kostenloses, über Anzeigen finanziertes Heft entstanden, das die Szene mit einer Mischung aus Schwulenjournalismus, auch Tuntenterror genannt, und Berichten über die kleineren größeren Streitereien bedient.

Die Rosa Fahne! aus Münster ist eine Ausnahme einer ganz anderen Regel: Sind es sonst zwei bis drei Mitarbeiter, so verfügt sie über einen harten Kern von neun Mitarbeitern. Damit hat sie ein Potential, mit dem produktive interne Diskussionen, Recherchen, das Erarbeiten von Themenschwerpunkten und die Aneignung von technischem Know- how möglich werden. Auf den ersten Blick erscheint sie entsprechend als kommerziell-professionelles Blatt, ist neben Rosamunde auch nur käuflich erhältlich, während alle anderen konstenlos ausliegen.

Einige der anderen Blätter, die ein- oder zweimonatlich oder quartalsweise erscheinen, verzichten auf die flotte Schreibe oder berichten ganz nach Vorliebe der Autoren: von der Restaurantkritik in der Nürnberger Schwulenpost, über die Rezensionen eines Reiseveranstalterkatalogs in den Oldenburger Rosige Zeiten bis zu einer Bildzeitungsparodie in Schwules Aachen und dem Reisetip Luxemburg im Anstoß aus Trier findet sich alles Mögliche. Für die Rosa Fahne! aus Münster ist der Einbruch im Homo-Zentrum Anlaß, Kriminaltunte Hilde Hippenstiel eine Tathergangsschilderung machen zu lassen, illustriert durch eine Foto-Story. So kann sie beides: spielen und Themen bearbeiten.

Lust ist eine Abkürzung und steht für Lesbische und schwule Themen, Erscheinen in Mainz und Wiesbaden. Und auch Lust bricht mit einer ansonsten geltenden Regel: Es ist die einzige, die von Schwulen und Lesben gemacht wird, die bereits in den Siebzigern aktiv waren und den Gestus der Agitation ebenso beibehalten haben wie den Anspruch, in „gesellschaftliche Prozesse einzugreifen“ — und nicht zuletzt das Bleiwüsten-Layout.

Im redaktionellen Teil von Oldenburgs Rosige Zeiten erscheint, was die MitarbeiterInnen des ebenfalls schwul-lesbischen Projekts gerade beschäftigt, oder es wird mehr oder weniger zufällig aufgegriffen, was sich gerade anbietet: eine Filmrezension zum Beispiel. Auch Gruppen- und Projekt-Selbstdarstellungen finden sich sowie zusammengesuchte Kurzmeldungen.

Erst zweimal ist der Anstoß erschienen. War die erste Ausgabe als Erstsemester-Info für Neustudis gedacht, so richtet sich die zweite Ausgabe bereits an das Kneipenpublikum in Trier. Weder Humor noch Inhalt fehlen, aber das Blatt hat seine Form noch nicht gefunden. Während nur die erste Ausgabe mit einem Schwerpunktthema Aids von der ortsansässigen Aids-Hilfe finanziert wurde, verfügt das Kieler Haki- Journal neuerdings über zwei Stellen, die vom Sozialministerium unterhalten werden. Das erklärt sich durch einen achtseitigen beigehefteten Innenteil des Heftes, übertitelt mit „Aids und wir“. Das Haki- Journal ist außer Terminkalender und Adressenliste auch offizielles Organ der Aids-Hilfe in Schleswig- Holstein, ergänzt um Meldungen aus Politik, Kultur, Bewegung und einer Presseschau.

Rosamunde arbeitet ganz ohne Produktionszwang, man merkt ihr das an: Themen und Layout sind ausgereift, genommen wird das Beste vom Besten. Die Artikel sind dem Essay näher als dem Tagesjournalismus. Und es findet sich neben dem für Homo-Publikationen gewöhnlichen s/w-Softpornografischen auch ein eigener Stil, Lust und Erotik fotografisch umzusetzen.

Die letzte Ausgabe der Mimikry, des Magazins für die Hannoveraner Gemeinde, setzt sich aus Filmkritik, Interview, Projektvorstellung, lokalen Szenenachrichten und Meldungen zusammen. Entstanden als Veranstaltungskalender des Schwulenzentrums Home, hat es den Schritt in die breitere Öffentlichkeit vollzoigen, aber hinkt redaktionell noch diesem Schritt hinterher.

Der Südwind, ein in München erscheinendes Magazin, bedient sich dem Repertoire der Standardthemen, die aktualisiert werden. Desgleichen bei der Nürnberger Schwulenpost, in der sich zudem auch Glossen finden. Die Rosa Zone, zweimal erschienen, beschränkt sich noch auf den grundlegenden Gebrauchswert, und Schwulst ergänzt diese um knappe Meldungen und Rezensionen.

Immer wieder findet sich auch das Gefühl der Bedrohung wieder: Ob in der Nürnberger Schwulenpost das Erstaunen über ausbleibende Diskriminierung bei der Aufgabe einer schwulen Wohnungssuch-Anzeige berichtet wird oder den antischwulen Äußerungen irgendwelcher Politiker, ob in Schwules Aachen ein Vortrag über Homosexualität im Tierreich mit abgeleiteter Legitimationsargumentation angekündigt wird, ob in den Rosigen Zeiten vom Schreiben des Anwalts einer Lokalwirtin berichtet wird, die sich gegen das Image eines Schwulen-Treffs wehrt — Bedrohung und Diskriminierung werden thematisiert, bleiben aber meist gefangen in Larmoyanz: Schaut auf diese böse Welt!

Trotz all dieser Unterschiede gibt es gemeinsame Defizite, die von den Überregional-Professionellen nur besser kaschiert werden: Standardthemen werden immer wieder aufgegriffen, manchmal sogar vom Punkt Null aus neu erarbeitet, ohne auf vorhandenes Material zurückzugreifen. Auch werden kaum neue Themen und Fragestellungen entwickelt. Nicht zuletzt sind dies strukturell bedingte Defizite: Zu recherchen- und/ oder diskussionsaufwendigen Themen fehlen Personal und Finanzen. Investigativer Journalismus fndet überhaupt nicht statt.

Siegessäule (mtl) Monumentenstr. 33/34, 1000 Berlin 62;

Haki-Journal (mtl) HAKI/SHA e.V. PF 2422, 2300 Kiel 1;

Rosige Zeiten (2mtl) PF 3804, Nadorsterstr. 24, 2900 Oldenburg;

Mimikry (mtl) Home-Zentrum, Johansenstr. 8, 3000 Hannover 1;

Rosa Fahne! (2mtl) Geiststr. 77, 4400 Münster;

Rosa Zone (mtl) c/o Schwule Gruppe/Oase, Buscheypl. 3, 4630 Bochum;

Lust (2mtl) PF 5406, 6200 Wiesbaden;

Schwules Aachen (unrglm) Königstr. 14-16, 5100 Aachen;

Anstoß (quartalsw) c/o Schwulenforum Tier, PF 3825, 5500 Trier;

Rosamunde (unrglm) c/o J. Runge, Postfach 104572, 6900 Heidelberg;

Schwulst (quartalsw) c/o Erlkönig, Bebelstr. 25, 7000 Stuttgart 1;

Südwind (mtl) Tettnanger Str. 9, 8000 München 60;

Nürnberger Schwulenpost (mtl) Luitpoldstr. 15, 8500 Nürnberg