Der "politisch mitdenkende" Bombenwerfer

■ Die 'Bunte'läßt sich von einem Viersternegeneral a. D. den Krieg erklären

Auch die Burda-Illustrierte 'Bunte‘ tat bereits eine Woche vor Ablauf des Ultimatums am Golf das Menschenmögliche an medialer Aufrüstung. Unter der Überschrift »Herr General, ist töten und töten zweierlei?« konnte der Viersternegeneral a.D. Gerd Schmückle die letzten Skrupel vor dem Losschlagen aus dem Weg räumen. Wir dokumentieren auszugsweise Fragen und Antworten.

Ist töten und töten zweierlei, Herr General?

Natürlich ist es zweierlei, ob zum Beispiel ein Verbrecher seine Geisel tötet oder ob einem Polizisten befohlen wird, einen Gangster zu töten, um dessen Geisel zu befreien. Gezielte Todesschüsse sind nicht die Regel, sondern der Ausnahmefall. Auch Krieg ist Ausnahmefall. Denn stehende Heere haben immer mehr Kriege verhindert als geführt. Sollte allerdings die Kriegsverhinderung am Golf scheitern, weil politische, diplomatische oder wirtschaftliche Mittel den Diktator Hussein nicht zur Räson bringen können, dann wird Krieg wohl leider unvermeidlich werden. Diesen letzten, schwersten Schritt müssen, tragisch, wie er ist, die Politiker verantworten. Damit tragen sie auch eine mögliche Schuld. Das heißt nicht, daß die Militärs Schuld und Gewissen einfach an der Pforte des Krieges abgeben können. Verbrecherische Befehle dürfen nicht ausgeführt werden. Der Soldat, der an vorderster Front kämpft, befindet sich dauernd in einer Notwehrsituation. Dennoch bleibt selbst inmitten hochgesteigerter Lebensgefahr kein Mensch von Gewissensnot befreit. Der Pazifist, der bewaffnete Macht radikal ablehnt, muß wegschauen, wenn sein Nachbar von Gangstern mit der Pistole bedroht und getötet wird. Schuldig ist der Mörder, aber schuldlos ist der Pazifist in keinem Fall.

Nennen Sie die ideellen Werte, die es wert sind, daß Soldaten dafür sterben.

Man muß sich vor der Festrednerpose hüten. Redlicher ist zu sagen, für welche Werte es sich in unserer Zeit nicht mehr lohnt, sein Leben oder das anderer hinzugeben: für den Nationalismus, der wie ein böser Hautausschlag immer wieder kommt; für den Rassenhaß, der soviel Unglück in die Welt brachte und noch immer wieder bringt; für den religiösen Fanatismus, der im Namen des Guten jede Menge Böses anrichtet; für den Neid auf fremde Länder und Reichtümer, der zu Raubkriegen anstachelt und fortwährendes Unglück schafft. Wo bleibt das Positive? Rücklauf der Erinnerungen: Es waren Soldaten, die Europa von dem Scheusal Hitler befreiten. Und dafür ihr Leben gaben. Soldaten löschten die Gasöfen, in denen Menschen industriell verbrannt wurden. Soldaten verhinderten, daß die europäischen Eliten weiter dezimiert wurden und ganze Bevölkerungen als Untermenschen dahinvegetieren mußten — so nämlich hätte Hitlers Nachkriegsprogramm ausgesehen, wären ihm nicht ganze Armeen in den Arm gefallen. Trotzdem beantworten heute deutsche Intellektuelle die wöchentliche Frage eines Magazins, welche militärische Leistung sie am meisten bewundern, fast gleichlautend mit »keine«. So wenig gilt unserer Elite die Befreiung von einem der scheußlichsten Tyrannen.

Ist der Begriff »Heldentod« in unserer Zeit nicht obszön?

»Obszön« bedeutet unflätig, zotenhaft, unzüchtig. Keine Todesart verdient eine so schlimme Abwertung. Mir persönlich war das Wort »Heldentod« immer zu pathetisch, wie aus einer anderen, fernen Zeit stammend. Andere Menschen, andere Völker sehen das nicht so. Noch immer gibt es anderswo Heldenfriedhöfe. Die Gefühle, die damit ausgerückt werden, sollte man nicht verletzen, auch wenn bei uns eine nüchternere Sprache üblich geworden ist. Der moderne Krieg kann heute jeden treffen, ob an der Front oder in der Heimat, den Mutigen und den Feigen. Dennoch wird es immer Menschen geben — vor allem im Krieg —, die sich für andere opfern oder durch herausragende Leistung andere Menschen retten. Selbst die deutschen Medien wählten für die Befreier von Mogadischu spontan das Wort Helden.

Ist der Pilot, der eine Bombe auf eine Stadt wirft, ein seelenloser Roboter, und wie können die Befehlshaber den Tod von Zivilisten verantworten?

Die Bombenangriffe auf Coventry und Dresden und alle anderen Städte, die im Zweiten Weltkrieg keine militärische Bedeutung hatten, waren schlimmer als Verbrechen: Sie waren politische Gemeinheiten, militärische Nutzlosigkeiten, Massenmorde und eine fortwährende Kulturschande. Natürlich waren sie den Piloten gegenüber nicht zu verantworten. Denn dadurch wurden auch diese in eine schwere persönliche Schuld verstrickt. Ebenso falsch waren die Abwürfe atomarer Bomben über Hiroschima und Nagasaki. Es hätte genügt, diese Bomben über Seen oder unbewohntem Gebiet abzuwerfen. Wenn Piloten nicht wissen, was sie tun, wenn sie ihren Auftrag fliegen, dann sind sie von der politischen und militärischen Führung mißbraucht. Daher ist für Zielauswahl und Bombenabwurf der politisch mitdenkende Pilot unverzichtbar. Er weiß, daß er verantworten kann, was ihm aufgetragen ist, weil er es selbst als kriegsnotwendig akzeptiert hat. Nur diese Piloten verkommen nicht zu »seelenlosen Robotern«.

Sind Berufssoldaten besondere Menschen?

Natürlich nicht besondere Menschen, aber besondere Soldaten. Sie sind zum Beispiel militärisch besser ausgebildet, für schwierige Situationen intensiver trainiert, in völkerrechtlichen Fragen versierter als Wehrpflichtige mit ihrer nur kurzen Dienstzeit. Berufssoldaten kennen die Wirkung moderner Waffen besser als jeder andere. Keine Frage: Militärischen Drill gibt es in vielen Armeen noch immer. Mißbrauchter Drill schikaniert Soldaten, demütigt sie, ebnet sie seelisch ein, bis sie sich gleichen wie Geschosse des gleichen Kalibers. Früher hatte dieser Drill einen Sinn: Soldaten waren meist dahergelaufenes Gesindel oder von des Königs Häschern eingefangene Burschen, deren Renitenz nicht anders zu überwinden war. Heute kommen gutinformierte, selbstbewußte Staatsbürger in die Kasernen der Nato-Nation. Drill ist daher nur noch zu verstehen als möglichst perfekte Beherrschung von Fahrzeug, Waffe, Gerät. Viele Berufssoldaten fühlen sich heute als »bewaffnete Pazifisten«. Also als Männer, deren Aufgabe es ist, den Frieden zu erhalten, die aber bereit sind, notfalls Waffen gegen einen Friedensbrecher anzuwenden. Auch am Golf treiben die Kommandeure nicht zum Krieg, sie wirken eher als Bremser.

»Blut gegen Öl« — läßt sich mit dieser Formel die Golfkrise beschreiben?

Nur dann, wenn man den Einsatz der multilateralen Truppe in der Golfregion ab- und Saddam Hussein aufwerten will. Mit dieser Formel wird der Widerstand gegen Husseins Landraub auf ein wirtschaftlich-egoistisches Motiv reduziert. In Wahrheit geht es zuallererst darum, einen Mann, der zum zweitenmal seinen Nachbarn angriff, ruhigzustellen und ihm jede Lust zu nehmen, wie bisher weiterzumachen. [...]

Bei den irakischen Soldaten bedeutet im Krieg sterben Eingang ins Paradies. Im Koran steht: »Dort erwarten sie großäugige Huris mit kühlenden, labenden Getränken...« usw. Was hat die moderne Welt diesem Glauben entgegenzusetzen?

Der Islam verspricht denjenigen, die für den Glauben fallen, den sicheren Eingang ins Paradies. Die glühende Sehnsucht nach dem Überirdischen macht sich Hussein raffiniert zunutze. Er behauptet, den heiligen Krieg zu führen, einen Krieg gegen die Ungläubigen, die Feinde Gottes und des Propheten. Damit will er die Kampfkraft seiner in einem achtjährigen Krieg erschöpften Armee stärken. Zugleich soll ein heimliches islamisches Bündnis auch in den Ländern entstehen, deren Regierungen gegen ihn sind. Was kann die moderne Welt gegen Husseins Glaubensversprechungen tun? Sie kann nur sein Falschspiel aufdecken. Bisher hat er ausschließlich Menschen mohammedanischen Glaubens töten lassen. Nicht Glaube, sondern Machtgier war und ist sein Motiv. Den Irakern muß klargemacht werden, daß nach Husseins Einlenken oder seiner Niederwerfung dem Irak sofort wieder ein ehrenvoller Platz im Konzept der Mächte eingeräumt werden wird. Die Versöhnung mit der arabischen Welt muß das Ziel sein.

Gehört Krieg zum Leben, Herr General?

Krieg gehörte leider immer zur Politik. Ausnahme Europa, die letzten 40 Jahre von der Nato geschützt. Außerhalb der Nato war die Welt voller gewaltsamer Auseinandersetzungen. Die internationalen Beziehungen sind nicht zärtlich, sondern rauh. [...] Interview: Kai Diekmann

[Gefährlich und simpel gestrickt, das Weltbild des Herrn General! d. säzzer]