Der »authentische Stand der Ratlosigleit«

■ Publikum des taz-Forums »Die neue Opposition in Deutschland« beklagt Konzeptlosigkeit und Uneinigkeit der Diskutanten

Berlin. Nicht eben von politischen Zweifeln geplagt präsentierten sich am Montag abend die PodiumsteilnehmerInnen des taz-Forums Die neue Opposition in Deutschland. Grünen-Sprecher Christian Ströbele bekannte für seine Partei: »Die Seele der Grünen hat sich nicht geändert. Unser Herz schlägt weiterhin überwiegend auf der Seite der Opposition«. Für die sitzt Ingrid Köppe (Bündnis 90) demnächst im neu zu bildenden Bundestag, obwohl ihr die »außerparlamentarische Arbeit nach wie vor viel wichtiger« ist. Und auch PDS-Vize André Brie wußte, wo es längs zu gehen hat: »Opposition muß in erster Linie außerhalb des Parlaments mit realen Menschen stattfinden.«

Der Frage nach den Gründen der Wahlniederlage mochte sich zunächst niemand der mehreren hundert ZuhörerInnen im »Haus der jungen Talente« stellen. Ströbele meinte, die Grünen hätten die »richtigen Themen« gehabt, aber »abgewählt wurden unsere Ausländerpolitik, unsere Politik gegen den Trend, deutsche Soldaten an den Golf zu schicken. War deshalb unsere Deutschlandpolitik falsch?«. Fast etwas frivol diese Frage, denn, so eine Zuhörerin: »Ihr habt doch gar keine Deutschlandpolitik gemacht, sondern seid immer nur gegen alles und jedes gewesen.« Das schien von den anwesenden Grünen nur der Podiumsteilnehmer Bernd Ulrich, Ex- Mitarbeiter der Abgeordneten Antje Vollmer, realisiert zu haben. Ihm fiel der Part des unbequemen, tabubrechenden Grünen zu. Seine Partei habe die Wahlen verloren, »weil wir zu lange nicht bemerkt haben, daß der Wechsel der beiden deutschen Frontstaaten zu einem Brückenstaat die Chance für einen Zugewinn an Zivilität eröffnet«.

Anstelle eines Streits folgte der Vorwurf einer »etatistischen Denkweise«, der »nationalistischen Politik« und des »Schielens auf die Wähler«. Daß Ingrid Köppe der außerparlamentarischen Opposition sehr hohe Bedeutung beimißt, ist aus der Geschichte der Bürgerbewegung verständlich, konnte allerdings einige (westliche) Zuhörer nicht davon abhalten, sich an westdeutsche Diskussionen Ende der siebziger Jahre erinnert zu fühlen.

Die Kommunikation zwischen Publikum und Podium war rauh und nicht sehr herzlich. Das östliche Terrain scheint gewestet. Lautstark verlangten Redner Konzepte, »was wir tun können, um Einfluß in diesem Land zu bekommen«. Fehlanzeige. Setzt euch selber in Bewegung, lautete die Botschaft aus der Mitte des Saales. Unüberhörbar der Wunsch nach Einigkeit: »Ihr macht Euch gegenseitig fertig, anstatt etwas anzubieten. Früher gab es eine Einheitsfront.« In seiner Wut überhörte der Kritiker wohl die Antwort von Bernd Ulrich: »Über diese Themen kriegst Du am Küchentisch deiner WG auch nicht mehr Einigkeit hin.« Ein anderer rief ungeduldig: »Ihr könnt weiter das Ozonloch betrachten, ist ja auch wichtig, aber so kommt Ihr nicht an die Menschen ran, die jetzt wissen wollen, wie es bei uns mit der Arbeit und Arbeitslosigkeit weitergehen kann.« Und doch: die Bereitschaft der anwesenden PolitikerInnen zum Spagat ist groß, es fehlt indes das dritte Bein. Petra Bornhöft