„Das kostet uns wieder zwei Prozent“

Der 'Morgen‘: Gysi wußte doch um die SED/PDS-Auslandsvermögen/ Schweizer Wirtschaftsprüfer soll den Parteichef schon im April informiert haben/ PDS sucht hektisch nach Worten und nach Gysi  ■ Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) — Entgegen aller Beteuerungen scheint PDS-Vorsitzender Gregor Gysi doch seit langem über die finanziellen Auslandsaktivitäten der SED informiert zu sein. So berichtete gestern 'Der Morgen‘ von einem Treffen zwischen Gysi, dem damaligen PDS-Schatzmeister Wolfgang Pohl und einem Schweizer Wirtschaftsprüfer am 5. April 1990. Unter Berufung auf eine Gesprächsnotiz und diverse Vermerke des Wirtschaftsprüfers beschreibt das Blatt dubiose Transaktionen zweier Ex-SED-Firmen.

Der faksimilierten Gesprächsnotiz zufolge „repräsentiert“ die Liechtensteiner Corefina Anstalt „ein Vermögen von rund 20 Mio“ DM. Es könne „mehrfach nachgewiesen werden, daß auch diese Gesellschaft vollumfänglich nur der heutigen PDS gehört“. Auf fünf Millionen Mark wird das Vermögen der Schweizer Orvag beziffert.

Die PDS hüllte sich gestern in Schweigen. Als Grund für die Funkstille gaben Mitarbeiter des Parteivorstandes an, Gysi und seinen Pressesprecher nicht erreichen zu können. Die beiden tingelten durch Münchner Wahlkampfveranstaltungen, während das stundenlang tagende Parteipräsidium die Türen verschlossen hielt. Bis zum Nachmittag hieß es offiziell: „Kein Kommentar“. Inoffiziell zogen Mitarbeiter des Parteivorstandes die Schultern hoch. Ein jüngerer Funktionär sagte resigniert: „Die wissen nicht, was sie sagen sollen, weil die Geschichte wahrscheinlich stimmt.“ Andere fürchteten: „Das kostet uns wieder zwei Prozent Stimmen“.

In der Kantine baldowerten Genossen die Verteidigungslinie aus: „Das war bestimmt wieder der Langnitschke.“ PDS-Finanzchef Langnitschke brummt wegen der Millionenschieberei Richtung Oslo. Ihn macht die PDS für den letzten Finanzskandal verantwortlich. Möglich, daß Langnitschke, der sich der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge angeboten haben soll, auch hier mitgemischt hat. Ziemlich sicher scheint indes, daß Gysi dieses Mal nicht so schnell seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Mit Verve hat er stets behauptet: „Es gibt keine Unterlagen“. Die Echtheit der Gesprächsnotizen und Vermerke des namentlich nicht genannten Wirtschaftsprüfers vorausgesetzt, war Gysi en detail über die als Geldwaschanlagen funktionierenden Unternehmen informiert. Sie dienten früher der SED als Vehikel für die Unterstützung ihrer Westberliner, griechischen, luxemburgischen und schwedischen Schwesterparteien.

Eine Woche vor dem Treffen in Ost-Berlin, so der 'Morgen‘, habe der Wirtschaftsprüfer von Überweisungen hoher Millionenbeträge auf „mysteriöse Konten“ erfahren. Zweck und Begünstigte habe der von der SED ernannte Beauftragte für Corefina und Orvag, der Westberliner Werner Girke, nicht angegeben. Gysi und Pohl sollen dem Wirtschaftsprüfer versprochen haben „Herrn Wolfgang Langnitschke zur Rechenschaft zu ziehen“. Fehlanzeige. Vier Tage später habe Girke einen neuen Corefina-Verwaltungsrat ernannt. Anfang Mai dann habe Schatzmeister Pohl dem Wirtschaftsprüfer geschrieben, „daß alle Dinge für uns positiv verlaufen sind und es keine Erkenntnisse für Veruntreuungen, Unterschlagungen [...] durch die bisherigen Treuhänder gibt“. Wiederum die Echtheit der Schreiben vorausgesetzt, bleibt eine Schlußfolgerung: Die zwei SED- Firmen arbeiten als PDS-Firmen in Abstimmung mit der Partei weiter.